50 Jahre Scheidungsreferendum - Eine Abstimmung, die Italien verändert hat
Volksabstimmung

50 Jahre Scheidungsreferendum - Eine Abstimmung, die Italien verändert hat

Vor 50 Jahren hat Italien in einem Referendum über die Ehescheidung abgestimmt. Die Abstimmung hat Italien dauerhaft in Richtung Laizismus verändert.

50 Jahre Scheidungsreferendum - Eine Abstimmung, die Italien verändert hat
Ansa
33 Millionen Menschen beteiligten sich am 12. und 13. Mai 1974 an der Abstimmung über die Abschaffungs des Rechts auf Scheidung.

Am 12. und 13. Mai 1974 gingen 87,7 Prozent der Wahlberechtigten in Italien an die Urnen, um an einem Referendum teilzunehmen, das von der Democrazia Christiana unter Amintore Fanfani vorangetrieben wurde. Ziel war es, das vier Jahre zuvor eingeführte Recht auf Scheidung wieder abzuschaffen. Die Ergebnisse, die live im Fernsehen verkündet wurden, zeigten ein säkulares Italien, das sich deutlich für die Beibehaltung des Scheidungsrechts entschieden hatte.

33 Millionen Menschen nahmen an der Abstimmung teil: 40,7 Prozent von ihnen sprachen sich gegen das Recht auf Scheidung aus, eine mit 59,3 Prozent überwältigende Mehrheit war jedoch dafür. Gegen die Scheidung waren der DC und die extreme Rechte (Movimento Sociale Italiano-Destra Nazionale). Für das Nein warben die weltliche Front aus Kommunisten, Radikalen, Sozialisten, Republikanern und Liberalen.

Der Norden gegen die Abschaffung, der Süden dafür

Es siegte das emanzipierte Italien, das das Scheidungsgesetz „Fortuna-Baslini“, benannt nach den beiden Abgeordneten Loris Fortuna (Sozialist) und Antonio Baslini (Liberaler), die es als Erstunterzeichner unterschrieben hatten, als notwendig und unanfechtbar ansah.

Das Gesetz war nach heftigen Diskussionen am 1. Dezember 1970 in Kraft getreten, fast vier Jahre vor dem Referendum. „Die Italiener“, schrieb nach dem Referendum Pier Paolo Pasolini im Corriere della Sera, „zeigten den Institutionen und Parteien, dass sie sich verändert hatten und sich nicht mehr bevormunden lassen wollten, auch nicht von der katholischen Kirche.“

Es ist heute kaum noch vorstellbar, aber vor dem Scheidungsgesetz, das die Befugnis des Staates anerkannte, eheliche Verbindungen aufzulösen, war dieses Recht ausschließlich den kirchlichen Gerichten der Sacra Rota vorbehalten.

Grundsätzlich waren der Norden und die Mitte Italiens sowie die Inseln gegen die Aufhebung des Scheidungsgesetzes, während der Süden dafür war. Die Region, die sich am stärksten für das Scheidungsgesetzes aussprach, war das Aostatal, wo 75,06 % gegen die Abschaffung stimmten. Es folgten Ligurien (72,57 %) und die Emilia Romagna (70,97 %).

Knappes Ergebnis in Trentino-Südtirol

Die Region mit den meisten Befürwortern des katholischen Scheidungsrechts war Molise (60,04 %), gefolgt von Basilicata (53,58 %) und Apulien (52,60 %). Auch in Trentino-Südtirol war man für die Abschaffung des weltlichen Gesetzes, wenngleich mit knapper Mehrheit. Während in Südtirol das Nein mit 50,38 % knapp überwog, siegte im bevölkerungsreicheren Trentino das Ja mit 51,5 %. 

Die Niederlage beim Scheidungsgesetz war nicht nur ein Schlag für die katholische Kirche, sie leitete auch das Ende von Amintore Fanfanis politischer Karriere ein, die zu den längsten der Ersten Republik gehörte: Die anschließende Niederlage des DC bei den Regionalwahlen 1975 zwang ihn, das Amt des Parteichefs an Benigno Zaccagnini abzugeben.