Trotz sechsstelliger roter Zahlen: Deshalb ist der Bio-Schlachthof in Berchtesgaden wichtig
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Trotz sechsstelliger roter Zahlen: Deshalb ist der Bio-Schlachthof in Berchtesgaden wichtig

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Tierarzt Horst Brunner. Seit vier Jahren trägt der Schlachthof “Bio” im Namen. Für dessen Erhalt bedarf es Zuschüsse der umliegenden Gemeinden.  
Tierarzt Horst Brunner. Seit vier Jahren trägt der Schlachthof “Bio” im Namen. Für dessen Erhalt bedarf es Zuschüsse der umliegenden Gemeinden.   © Kilian Pfeiffer

Der Bio-Schlachthof in Berchtesgaden schreibt seit Jahren rote Zahlen, jährlich im sechsstelligen Bereich. Eigentlich ist er ein Minus-Geschäft. Doch Schlachthofleiter und amtlicher Tierarzt Dr. Horst Brunner sagt: Der Bio-Schlachthof ist für die Region immens wichtig. 

Berchtesgaden – Seit vier Jahren darf der märktische Schlachthof in Berchtesgaden das Bio-Zertifikat im Namen führen. „Bio“ verpflichtet. „Bio“ war aber auch immer das große Ziel, das der Leiter des örtlichen Schlachthofes, Horst Brunner, erreichen wollte, seitdem er 2018 die Leitung eines der letzten verbliebenen Verarbeitungsbetriebe im Berchtesgadener Land angetreten hat. „Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Gesellschaft kann man daran messen, wie sie die Tiere behandelt“, steht auf einem Schild. Brunner ließ es anbringen. Brunner sagt bei einem Besuch: „Meine Aufgabe ist der Tierschutz.“ 

Fakt ist: Geschlachtet wird immer seltener in Kleinstbetrieben. Immer häufiger wird auf Großbetriebe ausgewichen, in denen Schweine, Rinder und weitere Nutztiere verarbeitet werden. Dass Berchtesgaden noch immer einen eigenen Schlachthof vorhält, ist fast schon eine Seltenheit. „Natürlich ist das eine Herausforderung“, sagt Horst Brunner, selbst Tierarzt mit eigener Praxis und mehreren angestellten Tierärzten. Eine Verpflichtung ist das Tragen des Zertifikats ebenfalls. Denn als Bio-Schlachthof sind die Rahmenbedingungen strenger, die Kosten dadurch höher. Bio-Fleisch aus der Region, vor Ort geschlachtet: „Wir wollen hier alle am gleichen Strang ziehen“, sagt Horst Brunner. Einigen Landwirten und Metzgern sei es wichtig gewesen, dass der Berchtesgadener Schlachthof das Bio-Zertifikat trägt: Aufzucht, Fütterung, Schlachtung. Um am Ende als Bio-Fleisch beim Kunden zu landen, muss die Bio-Kette eingehalten werden. 

Der Kuhkopf aus Linde ließ sich der Schlachthofleiter anfertigen. Kühe sind seine Lieblingstiere.
Der Kuhkopf aus Linde ließ sich der Schlachthofleiter anfertigen. Kühe sind seine Lieblingstiere. © Kilian Pfeiffer

Normalerweise arbeitet Brunner nur einmal pro Woche im Schlachthof: Montags ist Schlachttag. Die Menge an Tieren ist überschaubar. Vor acht Jahren waren es rund 30 Schweine pro Woche. Heute sind es rund 15 bis 20. Neben Schweinen werden auch Rinder, Schafe, Ziegen und Wild hier verarbeitet. „Fünf bis zehn Großtiere haben wir pro Woche“, sagt Tierarzt Brunner. Von Massenschlachtungen könne also keine Rede sein. Gerade deshalb, sagt der amtliche Tierarzt, sei ein Fortbestand des Betriebes so notwendig. Regionale Herkunft und ein verantwortungsvoller Umgang mit dem tierischen Leben seien erhaltenswerte und notwendige Punkte – auch in Zeiten, in denen der Fleischverzehr insgesamt rückläufig und der Preis für das Produkt zumindest höher als früher ist. Die Schlachtzahlen seien damals, zu Beginn seiner Amtszeit, noch deutlich nach unten gegangen. Aktuell gibt es zumindest eine Tendenz nach oben. „Die Leute achten auf heimische Lebensmittel, besonders in diesen Zeiten“, sagt Horst Brunner.

Seit mehr als 120 Jahren befindet sich der Betrieb an selber Stelle. Von außen wirkt die Örtlichkeit unspektakulär, das „Innenleben ist hochmodern“, heißt es beim Berchtesgadener Land Wirtschaftsservice in einem Fachartikel dazu. Die örtlichen Metzger finden hier EU-Hygienebedingungen vor. 

Tiere werden auch an zwei weiteren Orten im Landkreis geschlachtet und verarbeitet: In Marzoll in Bad Reichenhall sowie in der Stadt Laufen. Dort existiert ebenfalls ein EU- und Bio-zertifizierter Schlachthof, betrieben von der Stadt. 

In Berchtesgaden gibt es aber eine Besonderheit: Hier befindet sich die einzige Trichinen-Untersuchungsstelle im Berchtesgadener Land. Trichinen sind parasitäre Fadenwürmer. Bei jedem geschlachteten Schwein muss eine Probe entnommen werden. Tierarzt Brunner, amtlicher Fleischbeschauer, kontrolliert vor Ort die Fleischhygiene und nimmt zudem mikrobiologische Proben. Der Schlachthof Berchtesgaden ist mittlerweile die einzige Trichinen-Untersuchungsstelle im Berchtesgadener Land.   

Der Bio-Schlachthof wartet mit Möglichkeiten auf, die es anderswo nicht gibt. So hat dieser eine spezielle Wild-Zulassung, die unter anderem das Zerlegen des Wildes erlaubt. In dieser Hinsicht arbeitet der Schlachthof auch mit den Bayerischen Staatsforsten zusammen.  

Dann bringen die Metzger aus der Region, vor allem aus dem südlichen Berchtesgadener Land, aber auch aus Anger, Teisendorf oder Fridolfing, ihre Tiere in das historische Altbaugebäude an der Bergwerkstraße, wie Brunner bestätigt. Sobald die Tiere in die Schlachthalle kommen, werden sie betäubt per Stromschlag – jede Betäubung wird dabei registriert –, dann wird das Tier aufgehängt, später entblutet es. Nach dem Ausbluten kommt ein Schwein in die Brühanlage. Kurz darauf geht es an das Zerlegen unter speziellen Vorschriften. 

Aus der Region, für die Region lautet das von Brunner erklärte, inoffizielle Motto. Würde der Schlachthof von der Kommune nicht mehr finanziell unterstützt werden, müssten die Schlachttiere weitere Wege in Kauf nehmen, um zum Zielort zu gelangen. Dass der Betrieb Miese macht, wird dabei in Kauf genommen. Selbsttragend ist der örtliche Schlachtbetrieb nicht. Ohne finanzielle Zuschüsse wäre ein Erhalt nicht möglich. Brunner findet es dennoch notwendig, die Möglichkeiten vorzuhalten – für die Metzger vor Ort, für das Ansinnen, regionales Fleisch auch weiterhin regional zu verwerten.

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