15. November 2023 - oder der Tag, an dem die Ampel-Koalition innerlich zerbrach - FOCUS online
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Gastbeitrag von Gabor Steingart: Die Ampel ist innerlich längst zerbrochen - kommt jetzt das große Finale?
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Die Spitzen der Ampel-Koaliton: Außenministerin Annalena Baerbock (v.l.), Vizekanzler Robert Habeck, Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner.
Michael Kappeler/dpa Die Spitzen der Ampel-Koaliton: Außenministerin Annalena Baerbock (v.l.), Vizekanzler Robert Habeck, Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner.
  • Gastautor (Berlin)

Am 15. November vergangenen Jahres erklärte das Bundesverfassungsgericht den Nachtragshaushalt der Ampel für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Es ist der Tag an dem alles in die Brüche ging. Jetzt wartet das Publikum gespannt aufs große Finale.

Der Tag, an dem die Ampel-Koalition offiziell aufgelöst wird, rückt näher. Noch lässt er sich allerdings nicht mit Datum und Uhrzeit fixieren.

Der Tag, an dem allerdings die Koalition innerlich zerbrach und der Vorrat der Gemeinsamkeiten erschöpft war, lässt sich präzise bestimmen. Es war der 15. November 2023. Der Nachtragshaushalt der Ampel-Koalition ist mit dem Grundgesetz „unvereinbar und nichtig“, erklärte das Bundesverfassungsgericht.

An jenem Donnerstag erklärte das oberste Gericht mit einem Federstrich die Verschuldung neben der Verschuldung für illegal. Auf Geheiß der Verfassungshüter mussten Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro vernichtet werden, die den drei Parteien nun fehlen, um ihre unterschiedlichen Interessen zu befriedigen.

Regierung liebt es, ihr Handeln zu verschleiern

Zur Vorgeschichte: 2020 und 2021 beschloss der Bundestag, neue Schulden aufzunehmen, um die Corona-Pandemie zu bewältigen. Das war trotz der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse möglich, denn es handelte sich schließlich um eine Krisen-, also Ausnahmesituation.

Zügig wurde ein sogenanntes Sondervermögen eingerichtet, das keine Vermögenswerte, dafür aber einen großen Schuldschein enthielt. Die Regierung liebt es, ihr Handeln zu verschleiern.

Das Corona-Sondervermögen wurde mit 60 Milliarden Euro befüllt, die nicht in Bargeld, sondern als Kreditermächtigung im Nachtragshaushalt 2021 mit dem Zweck der Pandemiebekämpfung verabschiedet wurden.

Kaum war die Pandemie beendet, verfiel die Regierung auf die glorreiche Idee, diese noch ungenutzten Gelder auf den neu geschaffenen Klima- und Transformationsfonds (KTF) umzubuchen. Die Corona-Milliarden sollten jetzt als Schatulle von Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner zur Erfüllung ihrer Versprechungen aus dem Wahlkampf dienen.

Grüne ließen sich für ihre Klimapolitik feiern

Das Verfahren erinnerte an den Reptilienfonds von Otto von Bismarck, damals eine „schwarze Kasse“, über deren Verwendung der preußische Ministerpräsident keine öffentliche Rechenschaft ablegen wollte. Die Gelder stammten aus dem beschlagnahmten Privatvermögen des Königs Georg V. von Hannover und Mitteln des hessischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. und waren dafür gedacht, dem Reichskanzler eine positive Presse zu erkaufen.

Auch die Ampel-Koalition wollte mit diesem Geld eine positive Grundstimmung im Lande erzeugen. Denn ohne diese 60 Milliarden hätte man an anderer Stelle im Bundeshaushalt kürzen, also Prioritäten setzen müssen. Aber genau das war nicht gewünscht. Jeder hasst die Prioritäten des anderen.

So wurden die umgebuchten Milliarden das anstrengungslose Grundeinkommen der Koalition. Jenseits der Seriosität und auch jenseits der Legalität, wie das Bundesverfassungsgericht später feststellte, ging es darum, mithilfe dieses gelb-rot-grünen Reptilienfonds die jeweiligen Klientel-Gruppen (und die dazugehörigen Medien) wenn schon nicht zu kaufen, so doch zu beeindrucken.

  • Die Grünen ließen sich für ihre Klimapolitik feiern. Mit den zusätzlichen Milliarden sollten unter anderem die Bahn erneuert und die Elektromobilität auf der Straße finanziert werden.
  • Die SPD ging unverzüglich daran, den Sozialstaat weiter zu expandieren. Das Bürgergeld und die Rente wurden erhöht, und auch für die neue Kindergrundsicherung war nun genügend Geld vorhanden.
  • Die FDP wollte dafür gelobt werden, dass zwar die Ausgaben, aber nicht die Steuern erhöht wurden. Das grenzte an Zauberei. Sozialdemokraten und Grüne konnten sich selbst verwirklichen, ohne der FDP-Klientel ins Portemonnaie zu greifen.

SPD erklärt Sozialstaat zum Heiligtum

Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist der Zauber verflogen und der Reptilienfonds gesprengt. Keine Siege nirgends. Den drei Parteien der Koalition fehlte jetzt nicht nur das Geld, sondern auch der Plan. Über Prioritäten will und kann man sich weiterhin nicht verständigen.

Die SPD erklärt den Sozialstaat zum Heiligtum und damit für unberührbar. Olaf Scholz nennt den Vorschlag der FDP, das Renteneintrittsalter anzuheben, „absurd“ und ergänzte: „Für mich ist ganz klar, dass eine Sache für unser Land wichtig ist, nämlich, dass wir den sozialen Zusammenhalt nicht infrage stellen.“

Die Grünen haben bereits bei der Förderung von Solaranlagen und der Elektromobilität zurückgesteckt und sehen keinen weiteren Einsparbedarf. Ihre Priorität heißt Klimawandel mit angeschlossener Kindergrundsicherung à la Lisa Paus. Wenn schon kein Geld da ist, sollte es wenigstens großzügig ausgegeben werden.

Publikum wartet gespannt auf das große Finale

Die FDP, deren Zustimmungswerte sich seit der Bundestagswahl halbiert haben, kann einer Steuererhöhung oder einer Lockerung der Schuldenbremse nur um den Preis des eigenen Untergangs zustimmen. Deswegen schreibt sie wie im Fieberwahn Zwölf-Punkte- und Fünf-Punkte-Papiere, fordert in immer kürzeren Abständen eine „Wirtschaftswende“ oder eine „Haushaltswende“. Hauptsache Wende.

Nun wartet das Publikum gespannt auf das große Finale. Als Drehbuchautor für die Schlussszene hat man offenbar FDP-Chef Christian Lindner gewinnen können. Der sucht bereits den roten Faden, und wenn er ihn nicht bald findet, strickt er ihn sich selbst.

Das Storytelling für den Schlussakt hat er sich beim Hollywood-Star Kevin Costner abgeschaut: „Für mich muss ein Film nicht unbedingt ein Happy End haben. Er muss nur ein Ende haben, das man versteht.“

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