Eine Serie, so die lange gültige Definition, erzählt eine Geschichte nicht nur von Folge zu Folge weiter, sondern – zumindest im Erfolgsfall – auch von Staffel zu Staffel. Dass dies heutzutage keine Gewissheit mehr ist, verdanken wir nicht zuletzt Ryan Murphy, dem umtriebigsten aller Serienproduzenten.
Seit der vor mehr als zwölf Jahren bei „American Horror Story“ beschloss, mit jeder Staffel eine komplett neue Geschichte zu erzählen, ist plötzlich der Begriff Anthologie-Serie in aller Munde. Längst setzen mit „Fargo“ oder „True Detective“ auch andere Produktionen darauf, jedes Mal Story, Personal und Setting auszutauschen; doch Murphy bleibt Vorreiter. Und so geht nach zwölf Staffeln „American Horror Story“ und dreimal „American Crime Story“ nun auch endlich „Feud“ in eine nächste Runde.
Sie erhalten eine Bestätigung per E-Mail.
In der ersten Staffel der Zankerei-Serie ging es noch um die Fehde zwischen Joan Crawford und Bette Davis, für die zweite war ursprünglich der Ehestreit zwischen Charles und Diana vorgesehen. Stattdessen richten Murphy und seine Mitstreiter – darunter als hauptverantwortlicher Autor Jon Robin Baitz – ihren Fokus nun auf den amerikanischen Schriftsteller-Star Truman Capote (1924-1984) und dessen Konflikt mit einigen seiner vermeintlich besten Freundinnen.
Als seine Schwäne bezeichnete Capote (Tom Hollander) die Damen der New Yorker High Society, die ihn in den 1960er-Jahren zu ihrem engsten Vertrauten machten. Babe Paley (Naomi Watts), Ehefrau des CBS-Gründers, Slim Keith (Diane Lane), ihres Zeichens Fashion-Ikone und Ex von unter anderem Howard Hawks, JFKs Schwägerin Lee Radziwill (Calista Flockhart) und die schon von Dalí und Diego Rivera gemalte C.Z. Guest (Chloë Sevigny) treffen ihn zu ausführlichen Lunchs und vor allem jeder Menge Drinks, weihen ihn in intimste Ehe- und andere Details ein und schmücken sich gerne mit der Gesellschaft des scharfzüngigen Homosexuellen – bis der im Magazin Esquire ein erstes Kapitel eines geplanten Romans („Erhörte Gebete“) veröffentlicht und darin kaum verschleiert die Geheimnisse der Reichen und Schönen ausplaudert.
Meistgelesene Artikel
„Feud: Capote vs. The Swans“ auf Disney+: Naomi Watts und Demi Moore
Wie die Frauen ihn gekränkt aus ihrem Kreis verbannen, auf gesellschaftliche Ächtung als Rache sinnen und damit Capotes Schaffenskrise und Suchtproblem gleichermaßen befeuern, das ist nicht sonderlich viel Plot für acht, übrigens größtenteils von Gus Van Sant inszenierte Folgen. Dem Vergnügen dieser in den Details ordentlich fiktionalisierten Geschichte tut das allerdings kaum Abbruch. Zumindest wenn man sich wie Ryan Murphy für unglückliche schwule Männer, glamourös-divenhafte Frauen und (pop-)kulturellen Klatsch und Tratsch interessiert.
„Feud: Capote vs. The Swans“ besticht in erster Linie mit wunderbar geschliffenen Dialogen, die Capotes Tonfall treffen, in typischer Murphy-Manier allerdings auch wenig Raum für Nuancen lassen. Allzu überdeutlich wird immer mal wieder ausbuchstabiert, was man als aufmerksamer Zuschauer längst verstanden hat. Und mindestens die (historisch mehr als fragwürdige) Episode, in der eine Freundschaft zwischen Capote und James Baldwin behauptet wird, ist nachgerade plump.
Aufgefangen werden solche Schwächen nicht nur durch fantastische Kostüme, sondern auch die in ihrer vermeintlichen Oberflächlichkeit bemerkenswert komplexen Frauenfiguren, denen in dieser Vielzahl (und diesem Alter) in Serien sonst selten so viel Raum eingeräumt wird. Zu dem erlesenen Ensemble toller Schauspielerinnen, das sie zum Leben erweckt, gehören auch Jessica Lange, Demi Moore oder Molly Ringwald. Über allem allerdings thront allerdings Tom Hollander, der – siehe „The White Lotus“ oder „The Night Manager“ – immer schon in schwulen Rollen zu überzeugen wusste, aber als Capote eine besonders herzzerreißende Meisterleistung fernab der naheliegenden Karikatur abliefert.
Feud: Capote vs. The Swans. Serie, 8 Episoden, Disney+