Pflege: Vorbilder nicht nur auf TikTok

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Dänemark macht in Sachen Pflege vieles besser - seit Jahren. Ein Gastkommentar von Ingrid Korosec.

Wir orientieren uns gern an Vorbildern. Sie geben uns Ansporn etwas besser oder anders zu machen. Warum tun wir das nicht auch in der Pflege? Dänemark macht vieles richtig und besser als wir. Es sollte uns ein Vorbild sein. Die Versorgung pflege- und betreuungsbedürftiger Menschen funktioniert besser und kostet weniger. Sie ist überall gleich gut und kostet gleich viel – egal, in welcher Region man pflegebedürftig ist. Ganz im Unterschied zu Österreich, wo Pflegegrad und Kosten vom Wohnort abhängen. Ein katastrophaler Schwachpunkt unseres föderalistischen Systems bzw. des Kompetenz- und Finanzierungsdschungels zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Dänemark setzt nachhaltig auf Prävention, Rehabilitation und Altersunterstützung. Nach dem Prinzip „mit einer Hand in der Hosentasche“ steht die Hilfe zur Selbsthilfe im Mittelpunkt. 

Ingrid Korosec

Während in Dänemark nur acht Prozent der über 65-Jährigen betreuungsbedürftig sind, sind es in Österreich 22 Prozent. Auch im Bereich der Telemedizin und Telecare ist man uns weit voraus und nutzt die Digitalisierung, um die Lebensqualität zu steigern. 96 Prozent der pflegebedürftigen Dänen genießen auch mehr Lebensqualität durch gute Versorgung zu Hause, ohne dass Angehörige in die Pflicht genommen werden. Ins Heim übersiedelt nur, wer hohen medizinischen Pflegebedarf hat. Nur vier Prozent leben in Heimen, bei uns sind es dreimal so viel. In Österreich würde das Pflegesystem ohne die Unterstützung der Angehörigen, zusammenzubrechen.

Dänemark hat in den 80er-Jahren einen Zusammenbruch seines Pflegesystems durch eine radikale Veränderung – einen Neuanfang – verhindert. Keinen Neuanfang, aber die „größte Reform der letzten Jahrzehnte“ hat die Bundesregierung gemeinsam mit Ländern und Gemeinden mit zwei Pflegepaketen in Milliardenhöhe auf den Weg gebracht. Angefangen bei der Personaloffensive, Verbesserungen bei der 24h-Betreuung, Angehörigenpflege, Tagesbetreuung, Ausbildung bis hin zum Ausbau der mobilen Dienste. Wichtige Maßnahmen, die uns vor allem Zeit und Möglichkeit geben ernsthaft nachzudenken, ob wir mit dem System des Reparierens die Anforderungen der Zukunft schaffen oder ob wir Mut und Kraftanstrengung wagen, um eine umfassende Pflegereform zu initiieren, die auf Effizienz, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit abzielt. Ganz nach dem Vorbild Dänemark.

Vorbilder sind auch alle Pflegekräfte und pflegenden Angehörigen, die mit Leidenschaft, Empathie, Liebe und Professionalität täglich betreuungsbedürftigen Menschen helfen. Sie sind für mich Helden des Alltags, denen ich meinen höchsten Respekt zolle und anlässlich des internationalen „Tag der Pflege“ von ganzem Herzen danke. Sie verdienen größte Wertschätzung und Unterstützung, auch die restlichen 364 Tage im Jahr – gesellschaftlich, strukturell und finanziell.

Ingrid Korosec ist Präsidentin des Seniorenbundes (ÖVP)

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