1 Die magnetische Kraft

Die Existenz eines Magnetfelds \({\boldsymbol{B}}\) in einem bestimmten Punkt des Raums kann man mithilfe einer Kompassnadel nachweisen: Ist ein Magnetfeld vorhanden, so richtet sich die Nadel entlang der magnetischen Feldlinien aus. (Da die Nadel meist in einem Gerät in waagerechter Lage befestigt ist, kann sie sich nur entlang der waagerechten Feldkomponente ausrichten.)

Abb. 23.1
figure 1

Magnetfeldlinien der Erde, sichtbar gemacht durch Eisenfeilspäne in der Umgebung einer homogen magnetischen Kugel. Die Feldlinien gehen vom magnetischen Nordpol aus, der sich in der Nähe des geografischen Südpols befindet, und laufen im magnetischen Südpol (nahe dem geografischen Nordpol) wieder zusammen

Experimentell beobachtet man Folgendes: Auf ein Teilchen mit einer elektrischen Ladung \(q\), das sich mit der Geschwindigkeit \({\boldsymbol{v}}\) in einem Bereich des Raums bewegt, in dem ein Magnetfeld existiert, wirkt eine Kraft; diese Kraft ist proportional zu \(q\), \(v\), \(B\) und dem Sinus des Winkels, den die Richtungen von \({\boldsymbol{v}}\) und \({\boldsymbol{B}}\) einschließen. Die Kraft ist senkrecht sowohl zum Geschwindigkeitsvektor als auch zum Feldvektor gerichtet. Diese Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen.

Magnetische Kraft auf ein bewegtes geladenes Teilchen

Auf ein Teilchen mit der Ladung \(q\), das sich mit der Geschwindigkeit \({\boldsymbol{v}}\) in einem Magnetfeld \({\boldsymbol{B}}\) bewegt, wirkt die (magnetische) Kraft \({\boldsymbol{F}}\) mit:

$${\boldsymbol{F}}=q\,{\boldsymbol{v}}\times{\boldsymbol{B}}\,$$
(23.1)

\({\boldsymbol{F}}\) steht senkrecht sowohl auf \({\boldsymbol{v}}\) als auch auf \({\boldsymbol{B}}\) und folglich auch auf der Ebene, die \({\boldsymbol{v}}\) und \({\boldsymbol{B}}\) aufspannen.

Die Richtung von \({\boldsymbol{v}}\times{\boldsymbol{B}}\) ergibt sich aus der Rechte-Hand-Regel, indem die rechte Handfläche in Richtung von \({\boldsymbol{v}}\) zeigt und dann in die Richtung von \({\boldsymbol{B}}\) gedreht wird (Abb. 23.2). Ist \(q\) positiv, so zeigt \({\boldsymbol{F}}\propto{\boldsymbol{v}}\times{\boldsymbol{B}}\) in die Richtung des Daumens.

Abb. 23.2
figure 2

Anwendung der Rechte-Hand-Regel zur Bestimmung der Richtung der Kraft, die auf ein geladenes, in einem Magnetfeld bewegtes Teilchen wirkt. Ist \(q\) positiv, so zeigt \({\boldsymbol{F}}\) in die gleiche Richtung wie \({\boldsymbol{v}}\times{\boldsymbol{B}}\). a Das Vektorprodukt \({\boldsymbol{v}}\times{\boldsymbol{B}}\) steht senkrecht sowohl auf \({\boldsymbol{v}}\) als auch auf \({\boldsymbol{B}}\). Es zeigt in die Richtung, in die sich eine Rechtsschraube bewegt, wenn man sie in die Richtung dreht, in der \({\boldsymbol{v}}\) (mit dem kleinstmöglichen Drehwinkel) in \({\boldsymbol{B}}\) überführt wird. b Wenn die Finger der rechten Hand so in Richtung von \({\boldsymbol{v}}\) zeigen, dass sie auf \({\boldsymbol{B}}\) zu gekrümmt werden können, so weist der Daumen in Richtung von \({\boldsymbol{v}}\times{\boldsymbol{B}}\)

In Abb. 23.3 sehen Sie verschiedene Beispiele für die Richtung der Kraft, die auf eine bewegte Ladung wirkt, wobei der Magnetfeldvektor \({\boldsymbol{B}}\) jeweils senkrecht nach oben zeigt. Machen Sie sich bewusst, dass man die Richtung eines Magnetfelds \({\boldsymbol{B}}\) bestimmen kann, indem man \({\boldsymbol{F}}\) für mehrere Geschwindigkeiten \({\boldsymbol{v}}\) in verschiedenen Richtungen misst und anschließend Gl. 23.1 anwendet.

Abb. 23.3
figure 3

Richtung der Kraft, die im Magnetfeld \({\boldsymbol{B}}\) auf eine mit der Geschwindigkeit \({\boldsymbol{v}}\) bewegte Ladung \(q\) wirkt

Gl. 23.1 definiert das Magnetfeld \({\boldsymbol{B}}\) anhand der auf eine bewegte Ladung ausgeübten Kraft. Die SI-Einheit der Stärke des Magnetfelds ist das Tesla (T). Auf ein Teilchen mit einer Ladung von 1 C, das sich mit einer Geschwindigkeit von 1 m\(/\)s senkrecht zu einem Magnetfeld von 1 T bewegt, wirkt eine Kraft von 1 N:

$$1\,\text{T}=1\,\frac{\text{N}}{\text{C}\cdot\text{m}\cdot\text{s}^{-1}}=1\,\frac{\text{N}}{\text{A}\cdot\text{m}}\,$$
(23.2)

Das Tesla ist (wie auch das Farad) eine relativ große Einheit. Die Stärke des Magnetfelds der Erde an deren Oberfläche beispielsweise ist etwas geringer als \(10^{-4}\) T. In der Nähe starker Permanentmagneten herrschen Feldstärken von ungefähr 0,1–0,5 T, und leistungsfähige Elektromagnete für Anwendungen in Labors und in der Industrie erzeugen Felder von 1–2 T. Feldstärken oberhalb von 10 T sind extrem schwer aufrechtzuerhalten, weil die Magnete durch die gewaltigen Kräfte zerstört werden können.

Definition der Einheit Gauß

Eine weit verbreitete, aus dem CGS-System abgeleitete Einheit ist das Gauß (G) mit:

$$1\,{\text{G}}=10^{-4}\,\text{T}\,$$
(23.3)

In der Praxis werden Magnetfelder oft in der Einheit Gauß angegeben, obwohl dies keine SI-Einheit ist. Denken Sie deshalb daran, gegebenenfalls Gauß in Tesla umzurechnen. Beispiel 23.1 illustriert die Kraft, die das Erdmagnetfeld auf ein Proton ausübt.

Abb. 23.4
figure 4

Koordinatensystem für ein Proton im Erdmagnetfeld ungefähr auf Höhe Deutschlands

Abb. 23.5
figure 5

Koordinatensystem des Protons inklusive genauer Definition und Lage des Geschwindigkeits- und Magnetfeldvektors

Die auf einen stromdurchflossenen Leiter in einem Magnetfeld wirkende Kraft ist gleich der Summe der Kräfte auf alle Ladungsträger, deren Bewegung den Strom hervorruft. In Abb. 23.6 sehen Sie einen kurzen Abschnitt eines Leiters mit der Querschnittsfläche \(A\) und der Länge \(l\), durch den ein Strom \(I\) fließt. Wird der Leiter in ein Magnetfeld gebracht, so wirkt auf jede Ladung die magnetische Kraft \(q\,{\boldsymbol{v}}_{\mathrm{d}}\times{\boldsymbol{B}}\); \({\boldsymbol{v}}_{\mathrm{d}}\) ist die Driftgeschwindigkeit der Ladungsträger und entspricht deren mittlerer Geschwindigkeit. Die Anzahl der Ladungsträger im Leiterabschnitt ist gleich der Anzahl pro Volumeneinheit \((n/V)\), multipliziert mit dem Volumen \(A\,l\). Insgesamt wirkt auf den Leiterabschnitt die Kraft

$${\boldsymbol{F}}=\left(q\,{\boldsymbol{v}}_{\mathrm{d}}\times{\boldsymbol{B}}\right)\,(n/V)\,A\,l\,.$$

Gl. 22.3 gibt den Strom im Leiter an:

$$I=(n/V)\,q\,v_{\mathrm{d}}\,A\,$$

Somit können wir die magnetische Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiterabschnitt berechnen.

Abb. 23.6
figure 6

Durch den Leiterabschnitt mit der Länge \(l\) fließt ein Strom \(I\). Ein äußeres Magnetfeld \({\boldsymbol{B}}\) übt auf jeden einzelnen Ladungsträger im Leiter eine Kraft aus; diese Kräfte addieren sich zu einer Kraft auf den Leiter

Magnetische Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiterabschnitt

$$\begin{aligned}{\boldsymbol{F}}=I\,{\boldsymbol{l}}\times{\boldsymbol{B}}\end{aligned}$$
(23.4)

Der Betrag des Vektors \({\boldsymbol{l}}\) ist die Länge des Leiters, seine Richtung ist parallel zum fließenden Strom. (Unter der Stromrichtung verstehen wir dabei die Richtung des Stromdichtevektors \({\boldsymbol{j}}\).) Fließt der Strom in \(+x\)-Richtung und liegt der Vektor des Magnetfelds in der Umgebung des Drahts in der \(x\)-\(y\)-Ebene, so zeigt die wirkende Kraft in \(+z\)-Richtung (Abb. 23.7).

Abb. 23.7
figure 7

Magnetische Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiterabschnitt in einem Magnetfeld. Der Strom zeigt in \(x\)-Richtung, der Vektor des Magnetfelds liegt in der \(x\)-\(y\)-Ebene und schließt einen Winkel \(\theta\) mit der positiven \(x\)-Richtung ein. Die Kraft \({\boldsymbol{F}}\) zeigt in \(z\)-Richtung, senkrecht sowohl zu \({\boldsymbol{B}}\) als auch zu \({\boldsymbol{l}}\). Ihr Betrag ist gleich \(I\,|{\boldsymbol{l}}|\,|{\boldsymbol{B}}|\,\sin\theta\)

Bei der Herleitung von Gl. 23.4 haben wir angenommen, dass der Leiterabschnitt geradlinig und das Magnetfeld über die gesamte Länge des Leiters konstant ist. Nun wollen wir die Beziehung für Leiter mit beliebiger Gestalt und beliebige Magnetfelder verallgemeinern. Wir wählen einen sehr kleinen Leiterabschnitt \({\mathrm{d}{\boldsymbol{l}}}\); auf ihn wirke die Kraft \({\mathrm{d}{\boldsymbol{F}}}\). Somit können wir die magnetische Kraft auf ein Stromelement angeben.

Magnetische Kraft auf ein Stromelement

$$\begin{aligned}{\mathrm{d}{\boldsymbol{F}}}=I\,{\mathrm{d}{\boldsymbol{l}}}\times{\boldsymbol{B}}\end{aligned}$$
(23.5)

Hierbei ist \({\boldsymbol{B}}\) der Vektor des Magnetfelds am Ort des Leiterabschnitts.

Die Größe \(I\,{\mathrm{d}{\boldsymbol{l}}}\) nennen wir Stromelement. Die insgesamt auf einen stromdurchflossenen Leiter wirkende Kraft erhalten wir durch Summation (Integration) der Kräfte, die auf alle Stromelemente des Leiters wirken. (Gl. 23.5 entspricht deshalb Gl. 23.1, wobei das Stromelement \(I\,{\mathrm{d}{\boldsymbol{l}}}\) an die Stelle des Terms \(q\,{\boldsymbol{v}}\) getreten ist.) Zwei Anwendungen illustrieren Beispiel 23.2 und 23.3.

Abb. 23.8
figure 8

Koordinatensystem des geraden Leiters

Abb. 23.9
figure 9

Koordinatensystem des stromdurchflossenen gebogenen Leiters

Abb. 23.10
figure 10

Kennzeichnung des Kräfteanteils d\({\boldsymbol{F}}\), des Wegelements d\({\boldsymbol{l}}\), des Stromelements \(I\)d\({\boldsymbol{l}}\) und des Magnetfelds \({\boldsymbol{B}}\)

Ein elektrisches Feld \({\boldsymbol{E}}\) kann durch Feldlinien dargestellt werden. Analog stellen wir ein Magnetfeld \({\boldsymbol{B}}\) durch Magnetfeldlinien dar. In beiden Fällen gibt die Richtung der Linien die Richtung des Felds an, und die Dichte (Anzahl pro Flächeneinheit) der Linien auf einer senkrecht zu den Linien stehenden Fläche ist ein Maß für die Feldstärke. Abgesehen davon bestehen die folgenden wesentlichen Unterschiede zwischen elektrischen und magnetischen Feldlinien:

  1. 1.

    Elektrische Feldlinien zeigen in die Richtung der auf eine positive Ladung wirkenden elektrostatischen Kraft. Magnetfeldlinien stehen senkrecht zu der Kraft, die auf eine bewegte Ladung ausgeübt wird.

  2. 2.

    Elektrische Feldlinien gehen von positiven Ladungen aus und enden an negativen Ladungen. Magnetfeldlinien haben weder Anfang noch Ende, sie sind in sich geschlossen.

Tipp

Die magnetischen Feldlinien eines Stabmagneten haben weder Anfang noch Ende, sie treten an einem Ende in den Stabmagneten ein und am anderen wieder aus.

Abb. 23.11 zeigt die Magnetfeldlinien innerhalb und außerhalb eines Stabmagneten.

Abb. 23.11
figure 11

a Magnetfeldlinien innerhalb und außerhalb eines Stabmagneten. Die Linien treten am Nordpol aus dem Magneten aus und am Südpol wieder ein. Sie haben aber weder Anfangs- noch Endpunkt, sondern bilden geschlossene Schleifen. b Magnetfeldlinien in der Umgebung eines Stabmagneten, sichtbar gemacht mithilfe von Eisenfeilspänen. (© 1995 Tom Pantages)

2 Die Bewegung einer Punktladung in einem Magnetfeld

Die auf ein geladenes, sich in einem Magnetfeld bewegendes Teilchen ausgeübte Kraft ist immer senkrecht zur Geschwindigkeit des Teilchens gerichtet. Das bedeutet, die magnetische Kraft ändert zwar die Richtung, nicht aber den Betrag der Geschwindigkeit. Magnetische Kräfte verrichten an Teilchen keine Arbeit und haben keinen Einfluss auf deren kinetische Energie.

Ein spezieller Fall tritt ein, wenn sich ein Teilchen in einem homogenen Magnetfeld bewegt und seine Geschwindigkeit senkrecht zu dem Magnetfeld gerichtet ist. Wie Sie Abb. 23.12 entnehmen, beschreibt das Teilchen dann eine Kreisbahn, seine Winkelgeschwindigkeit ist \({\boldsymbol{\omega}}\). Abb. 23.13 zeigt die Kreisbahn von Elektronen in einem von zwei Spulen erzeugten Magnetfeld (Abb. 23.13a) und die Spur eines Protons und Alphateilchens in einer Nebelkammer (Abb. 23.13b). Die für die Zentripetalbeschleunigung \(a_{\text{ZP}}=-v^{2}/r\) bei der Kreisbewegung notwendige Kraft wird vom Magnetfeld geliefert. Auf einer Kreisbahn gilt für die Normalbeschleunigung \(a_{\text{n}}\) auf das Teilchen \(a_{\text{n}}=-a_{\text{ZP}}\). Mithilfe dieser Gleichung setzen wir den Radius der Kreisbahn in Beziehung zur Stärke des Magnetfelds und zur Geschwindigkeit des Teilchens. Bei einer Geschwindigkeit \({\boldsymbol{v}}\) wirkt auf ein Teilchen mit der Ladung \(q\) die magnetische Kraft \({\boldsymbol{F}}=q\,{\boldsymbol{v}}\times{\boldsymbol{B}}\). Die resultierende Normalbeschleunigung ist für ein Teilchen mit der Masse \(m\) gleich \(a_{\text{n}}=F/m=(q/m)\,v\,B\), weil die Vektoren \({\boldsymbol{v}}\) und \({\boldsymbol{B}}\) senkrecht aufeinander stehen. Daraus folgt

$$\frac{q}{m}\,v\,B=\frac{v^{2}}{r}\,.$$

Dabei kann die Ladung \(q\) sowohl positiv als auch negativ sein. Daher ist

$$r=\frac{m\,v}{q\,B}\quad\text{oder}\quad r=\frac{m\,v}{|q\,{\boldsymbol{B}}|}\,.$$
(23.6)

Als Periode einer Kreisbewegung bezeichnet man die Zeit, die das Teilchen benötigt, um den Umfang des Kreises einmal vollständig zu durchlaufen. Sie hängt wie folgt mit der Geschwindigkeit zusammen:

$$T=\frac{2\,\pi\,r}{v}\,$$

Wir setzen hier \(r=m\,v/\left|q\,{\boldsymbol{B}}\right|\) ein (Gl. 23.6) und erhalten die Periode der Kreisbewegung des Teilchens, die auch als Zyklotronperiode bezeichnet wird.

Abb. 23.12
figure 12

Ein geladenes Teilchen bewegt sich in einer Ebene senkrecht zu einem homogenen Magnetfeld. Der Feldvektor zeigt in die Papierebene hinein, wie durch die Kreuze angedeutet wird. (Ein Kreuz symbolisiert hier die Federn eines Pfeils. Ein aus der Papierebene heraus zeigendes Feld wird durch Punkte als Symbole für Pfeilspitzen angegeben.) Die Richtung der magnetischen Kraft steht senkrecht zur Richtung der Geschwindigkeit des Teilchens, welches sich folglich auf einer Kreisbahn bewegt

Abb. 23.13
figure 13

a Kreisbahn von Elektronen, die sich in einem Magnetfeld bewegen, das der durch zwei große Spulen fließende Strom erzeugt. Die Elektronen ionisieren das in der Röhre befindliche verdünnte Gas; entlang der Teilchenbahn sendet das Gas Licht aus. b Falschfarbenfoto von Spuren eines 1,6-MeV-Protons (rot) und eines 7-MeV-Alphateilchens (gelb) in einer Nebelkammer. Der Krümmungsradius der Bahn ist proportional zum Impuls und umgekehrt proportional zur Ladung des betreffenden Teilchens. Die Ladung des Alphateilchens ist doppelt so groß wie die des Protons, der Impuls des Alphateilchens ist bei den angegebenen Energien rund viermal so groß wie der des Protons; der Krümmungsradius der Bahn des Alphateilchens ist deshalb deutlich größer. (a © Fakultät für Physik der LMU München. b © Lawrence Berkeley Laboratory/SPL/Agentur Focus)

Zyklotronperiode

$$\begin{aligned}T=\frac{2\,\pi\,m\,v/|q\,{\boldsymbol{B}}|}{v}=\frac{2\,\pi\,m}{|q\,{\boldsymbol{B}}|}\end{aligned}$$
(23.7)

Der Kehrwert der Periode ist die Frequenz der Kreisbewegung, die Zyklotronfrequenz.

Zyklotronfrequenz

$$\begin{aligned}\nu=\frac{1}{T}=\frac{|q\,{\boldsymbol{B}}|}{2\,\pi\,m}\end{aligned}$$
(23.8)

also

$$\omega=2\,\pi\,\nu=\frac{|q\,{\boldsymbol{B}}|}{m}$$

mit

$$\hat{\boldsymbol{\omega}}=\frac{q}{|q|}\,{\boldsymbol{\hat{B}}}\,$$

Beachten Sie: Periode und Frequenz der Bewegung hängen gemäß Gl. 23.7 und 23.8 vom Ladung-Masse-Verhältnis \(q/m\) des Teilchens ab, nicht von der Geschwindigkeit \(v\) oder vom Radius der Kreisbahn \(r\). Zwei wichtige Anwendungen der Kreisbewegung von Teilchen in homogenen Magnetfeldern werden wir in diesem Kapitel noch besprechen: das Massenspektrometer und das Zyklotron, für das Beispiel 23.4 bereits eine Rechenanwendung vorwegnimmt.

Betrachten wir nun ein geladenes Teilchen, das sich in einem homogenen Magnetfeld mit einer Geschwindigkeit bewegt, deren Richtung nicht senkrecht zu \({\boldsymbol{B}}\) ist. Parallel zu \({\boldsymbol{B}}\) ist keine Komponente der magnetischen Kraft und folglich auch keine Komponente der Beschleunigung verschieden von null; das bedeutet, die Geschwindigkeitskomponente parallel zu \({\boldsymbol{B}}\) bleibt konstant. Die magnetische Kraft wirkt senkrecht zu \({\boldsymbol{B}}\) auf das Teilchen, dessen Bewegung deshalb in der gleichen Weise beeinflusst wird wie oben besprochen, und das Teilchen beschreibt eine Schraubenbahn (Abb. 23.14).

Abb. 23.14
figure 14

a Besitzt die Geschwindigkeit eines Teilchens Komponenten sowohl parallel als auch senkrecht zum homogenen Magnetfeld, so beschreibt das Teilchen eine Schraubenbahn um die Feldlinien. b Nebelkammeraufnahme der Schraubenbahn eines Elektrons, das sich in einem Magnetfeld bewegt. Die Bahn wird durch die Kondensation von Wassertröpfchen in der Kammer sichtbar gemacht. (© Carl E. Nielsen)

Die Bewegung geladener Teilchen in inhomogenen Magnetfeldern kann recht kompliziert sein. In Abb. 23.15 sehen Sie eine magnetische Flasche, eine Anordnung, an deren Enden das Feld deutlich stärker ist als dazwischen. Eine ausführliche Analyse der Bewegung eines geladenen Teilchens in einem derartigen Feld zeigt, dass sich das Teilchen auf Spiralbahnen um die Feldlinien zwischen den Punkten \(P_{1}\) und \(P_{2}\) hin und her bewegt, ohne die Flasche verlassen zu können. Solche Magnetfelder verwendet man z. B. in der Kernfusionsforschung zum Einschluss geladener Teilchen mit hoher Dichte (Plasmen). Ein ähnliches Phänomen ist die Oszillation von Ionen zwischen den magnetischen Polen der Erde innerhalb der Van-Allen-Gürtel (Abb. 23.16).

Abb. 23.15
figure 15

Magnetische Flasche. Das Feld ist auf beiden Seiten (rechts und links außen) wesentlich stärker als in der Mitte. Ein geladenes Teilchen bewegt sich darin auf Spiralbahnen um die Feldlinien hin und zurück, ohne die Flasche verlassen zu können

Abb. 23.16
figure 16

Van-Allen-Gürtel. Protonen (innerer Gürtel) und Elektronen (äußerer Gürtel) können das Erdmagnetfeld nicht verlassen und bewegen sich auf Spiralbahnen um die Magnetfeldlinien zwischen Nord- und Südpol hin und her

2.1 Das Geschwindigkeitsfilter

Die magnetische Kraft, die auf eine bewegte Ladung in einem homogenen Magnetfeld wirkt, kann durch eine elektrische Kraft kompensiert werden. Voraussetzung dafür ist eine geeignete Wahl von Betrag und Richtung des magnetischen und des elektrischen Felds. Die elektrische Kraft wirkt (für positiv geladene Teilchen) parallel zu den zugehörigen Feldlinien, die magnetische senkrecht dazu. In dem Gebiet, in dem sich das Teilchen bewegt, müssen die beiden Felder deshalb senkrecht zueinander stehen, damit sich die Kräfte gegenseitig aufheben können. Solche Felder bezeichnet man als gekreuzt.

Abb. 23.17 zeigt das Gebiet zwischen den Platten eines Kondensators, der ein elektrisches Feld erzeugt. Senkrecht zu diesem wirkt ein Magnetfeld (eines Magneten, dessen Pole Sie sich ober- und unterhalb der Papierebene vorstellen müssen). Betrachten wir nun ein Teilchen mit der Ladung \(q\), das von links in dieses Gebiet eintritt. Insgesamt wirkt auf dieses Teilchen die Kraft

$${\boldsymbol{F}}=q\,{\boldsymbol{E}}+q\,{\boldsymbol{v}}\times{\boldsymbol{B}}\,.$$

Ist \(q\) positiv, so wirkt die elektrische Kraft vom Betrag \(q\,|{\boldsymbol{E}}|\) in der Papierebene nach unten und die magnetische Kraft vom Betrag \(q\,|{\boldsymbol{v}}|\,|{\boldsymbol{B}}|\) nach oben; ist \(q\) negativ, wirken die Kräfte in den umgekehrten Richtungen. Die Kräfte heben einander auf, wenn \(q\,|{\boldsymbol{E}}|=q\,|{\boldsymbol{v}}|\,|{\boldsymbol{B}}|\) ist oder

$$|{\boldsymbol{v}}|=\frac{|{\boldsymbol{E}}|}{|{\boldsymbol{B}}|}\,.$$
(23.9)

Bei vorgegebenen Feldstärken kompensieren sich die Kräfte nur für Teilchen, die sich exakt mit der durch Gl. 23.9 gegebenen Geschwindigkeit bewegen. Jedes Teilchen mit dieser Geschwindigkeit – ungeachtet seiner Masse oder Ladung – durchläuft den Raum zwischen den Kondensatorplatten, ohne abgelenkt zu werden. Teilchen mit größerer Geschwindigkeit werden in Richtung der magnetischen Kraft abgelenkt, Teilchen mit geringerer hingegen in Richtung der elektrischen Kraft. Eine derartige Anordnung gekreuzter Felder nennt man auch (Wien’sches) Geschwindigkeitsfilter. In der Praxis bringt man rechts von den Kondensatorplatten in Abb. 23.17 eine Blende mit einem kleinen Loch so an, dass ausschließlich Teilchen mit der richtigen Geschwindigkeit diese Blende passieren können.

Abb. 23.17
figure 17

Gekreuzte Felder. Auf ein positiv geladenes Teilchen, das sich nach rechts bewegt, wirkt eine elektrische Kraft (nach unten) und eine magnetische Kraft (nach oben). Die Kräfte heben einander auf, wenn die Geschwindigkeit des Teilchens gemäß \(|{\boldsymbol{v}}|\,|{\boldsymbol{B}}|=|{\boldsymbol{E}}|\) zu den Feldstärken in Beziehung steht

2.2 Thomsons Experiment zur Messung von q\(/\)m

Ein Beispiel für die Anwendung gekreuzter Felder ist das berühmte Experiment Joseph John Thomsons im Jahr 1897: Thomson zeigte, dass Kathodenstrahlen sich durch elektrische und magnetische Felder ablenken lassen und folglich aus geladenen Teilchen bestehen müssen. Durch Messung der Ablenkung wies er nach, dass das Ladung-Masse-Verhältnis \(q/m\) aller dieser Teilchen gleich ist. Teilchen mit genau diesem Ladung-Masse-Verhältnis erzeugte Thomson unter Verwendung der unterschiedlichsten Kathodenmaterialien, was bedeutete, dass diese Teilchen zu den Grundbausteinen der Materie gehören. Heute nennt man diese Teilchen „Elektronen“.

Abb. 23.18 zeigt ein Schema der Kathodenstrahlröhre, an der Thomson seine Versuche durchführte. Elektronen werden von der Kathode C emittiert, die relativ zu den Spalten A und B negativ vorgespannt ist. Ein elektrisches Feld beschleunigt die Elektronen von C nach A, dann fliegen die Teilchen durch die Spalte A und B, passieren ein feldfreies Gebiet und treten in das elektrische Feld zwischen den Kondensatorplatten D und F ein. Das Feld steht senkrecht zur Bewegungsrichtung der Teilchen und verleiht ihnen eine vertikale Geschwindigkeitskomponente. Die Elektronen werden dadurch abgelenkt und treffen auf dem Leuchtschirm S rechts in einem Punkt auf, der gegenüber dem Auftreffpunkt beim feldfreien Flug um eine Strecke \(\Updelta y\) vertikal verschoben ist. Im Auftreffpunkt leuchtet der Schirm, wodurch sich der Strahl leicht lokalisieren lässt. Die Geschwindigkeit der Elektronen \(v_{0}\) wird durch Anlegen eines Magnetfelds \({\boldsymbol{B}}\) zwischen den Platten festgelegt, dessen Richtung senkrecht sowohl zur Richtung des elektrischen Felds als auch zur Richtung der Geschwindigkeit steht. Die Feldstärke von \({\boldsymbol{B}}\) wird zu Beginn des Versuchs so eingestellt, dass der Strahl keine Ablenkung erfährt. Dann ergibt sich die Anfangsgeschwindigkeit der Teilchen aus Gl. 23.9.

Abb. 23.18
figure 18

Schema der von Thomson zur Messung von \(q/m\) verwendeten Kathodenstrahlröhre. Kathodenstrahlen (Elektronen) treten aus der Kathode C aus, fliegen durch die Spalte A und B und treffen auf einen Leuchtschirm S. Ein elektrisches Feld zwischen den Kondensatorplatten D und F oder ein (nicht eingezeichnetes) Magnetfeld kann den Strahl ablenken

Ist das Magnetfeld ausgeschaltet, so ist die Ablenkung des Strahls im Auftreffpunkt gleich \(\Updelta y\). Dieser Wert setzt sich aus zwei Beträgen zusammen, der Ablenkung \(\Updelta y_{1}\) während des Flugs durch das elektrische Feld zwischen den Platten und der Ablenkung \(\Updelta y_{2}\) während des anschließenden Flugs durch das feldfreie Gebiet (Abb. 23.19).

Abb. 23.19
figure 19

Die gesamte Ablenkung \(\Updelta y\) eines Elektronenstrahls in J. J. Thomsons Experiment setzt sich zusammen aus der Ablenkung \(\Updelta y_{1}\) im Kondensator und der Ablenkung \(\Updelta y_{2}\) im feldfreien Raum zwischen Kondensator und Leuchtschirm

Nun sei \(x_{1}\) die Länge der Flugstrecke durch das elektrische Feld (die Länge der Kondensatorplatten). Bewegt sich das Elektron beim Eintreten in das Gebiet zwischen den Platten mit der Anfangsgeschwindigkeit \(v_{0}\), so durchfliegt es den Ablenkbereich in einer Zeit \(t_{1}=x_{1}/v_{0}\). Die Vertikalgeschwindigkeit des Elektrons beim Verlassen des Kondensators ist dann

$$v_{y}=a_{y}\,t_{1}=\frac{q\,E_{y}}{m}t_{1}=\frac{q\,E_{y}}{m}\frac{x_{1}}{v_{0}}$$

mit \(E_{y}\) als aufwärts gerichteter Komponente des elektrischen Felds zwischen den Platten. Die Ablenkung in diesem Gebiet beträgt dadurch

$$\Updelta y_{1}=\frac{1}{2}\,a_{y}\,t_{1}^{2}=\frac{1}{2}\frac{q\,E_{y}}{m}\left(\frac{x_{1}}{v_{0}}\right)^{2}\,.$$

Zwischen den Kondensatorplatten und dem Schirm durchfliegt das Elektron die waagerecht gemessene Entfernung \(x_{2}\) im feldfreien Raum. Die Geschwindigkeit des Teilchens ist dort konstant; die Flugzeit bis zum Schirm ist deshalb gegeben durch \(t_{2}=x_{2}/v_{0}\). Für die zusätzliche vertikale Ablenkung erhalten wir damit

$$\Updelta y_{2}=v_{y}\,t_{2}=\frac{q\,E_{y}}{m}\frac{x_{1}}{v_{0}}\frac{x_{2}}{v_{0}}\,.$$

Wir addieren die Beiträge zur Gesamtablenkung in vertikaler Richtung:

$$\begin{aligned}\displaystyle\Updelta y=\Updelta y_{1}+\Updelta y_{2}&\displaystyle=\frac{1}{2}\frac{q\,E_{y}}{m\,v_{0}^{2}}\,x_{1}^{2}+\frac{q\,E_{y}}{m\,v_{0}^{2}}\,x_{1}\,x_{2}\\ \displaystyle&\displaystyle=\frac{q}{m}\,\frac{E_{y}}{v_{0}^{2}}\,\left(\frac{x_{1}^{2}}{2}+x_{1}\,x_{2}\right)\end{aligned}$$
(23.10)

Die gemessene Ablenkung \(\Updelta y\) setzt man in Gl. 23.10 ein und kann nun das Ladung-Masse-Verhältnis \(q/m\) (im Falle des Elektrons \(e/m\)) berechnen. Eine andere Anwendung dieser Gleichung ist die Ablenkung des Elektronenstrahls in Beispiel 23.5.

2.3 Das Massenspektrometer

Das erste Massenspektrometer wurde 1919 von Francis William Aston zur Messung von Isotopenmassen gebaut. Ziel dieser Experimente ist zum einen der Nachweis von Isotopen, zum anderen die Ermittlung natürlicher Isotopenverhältnisse. Natürliches Magnesium z. B. enthält die Isotope \(\mathrm{{}^{24}Mg}\) (\(78{,}8\,\%\)), \(\mathrm{{}^{25}Mg}\) (\(10{,}1\,\%\)) und \(\mathrm{{}^{26}Mg}\) (\(11{,}2\,\%\)), deren Massenverhältnis ungefähr \(24:25:26\) beträgt.

Ein einfaches Schema eines Massenspektrometers sehen Sie in Abb. 23.20. Durch Beschuss neutraler Atome mit Röntgen- oder Elektronenstrahlen entstehen positiv geladene Ionen. (Dabei werden Elektronen aus den Atomen herausgeschlagen.) Die Ionen treten aus der Ionenquelle aus, werden durch ein elektrisches Feld beschleunigt und erreichen in Punkt \(P_{1}\) ein homogenes Magnetfeld. Sind die Ionen anfangs in Ruhe und ist die Potenzialdifferenz gleich \(U\), so ist die Summe aus ihrem Gewinn an kinetischer Energie \(m\,v^{2}/2\) (mit dem die Ionen in das Magnetfeld eintreten) und ihrem Verlust an potenzieller Energie \(-q\,U\) gleich null:

$$\frac{1}{2}\,m\,v^{2}=q\,U\,$$
(23.11)

Im Magnetfeld bewegen sich die Ionen auf einer halbkreisförmigen Bahn, deren Radius \(r\) durch Gl. 23.6 gegeben ist (\(r=m\,v/|q\,{\boldsymbol{B}}|\)), und treffen in Punkt \(P_{2}\) auf eine Fotoplatte. Die Entfernung zwischen \(P_{1}\) und \(P_{2}\) beträgt \(2\,r\).

Abb. 23.20
figure 20

Funktionsschema eines Massenspektrometers. Positiv geladene Ionen treten aus der Ionenquelle aus, werden durch eine Potenzialdifferenz \(U\) beschleunigt und erreichen in \(P_{1}\) ein homogenes Magnetfeld. Das Magnetfeld zeigt aus der Papierebene heraus, wie durch die Punkte angedeutet wird. Im Magnetfeld werden die Ionen auf eine Kreisbahn gezwungen, in Punkt \(P_{2}\) treffen sie auf eine Fotoplatte. Der Radius der Kreisbahn hängt von der Masse der Ionen ab

Die Geschwindigkeit \(v\) kann aus Gl. 23.6 und 23.11 eliminiert werden. So lässt sich \(m/q\) aus den bekannten Größen \(U\), \(B\) und \(r\) berechnen. Dazu lösen wir zunächst Gl. 23.6 nach \(v\) auf und quadrieren beide Seiten:

$$v^{2}=\frac{r^{2}\,q^{2}\,B^{2}}{m^{2}}\,$$

Diese Beziehung setzen wir für \(v^{2}\) in Gl. 23.11 ein und erhalten

$$\frac{1}{2}\,m\left(\frac{r^{2}\,q^{2}\,B^{2}}{m^{2}}\right)=q\,U\,.$$

Vereinfachen dieses Ausdrucks und Auf‌lösen nach \(m/q\) liefert schließlich

$$\frac{m}{q}=\frac{B^{2}\,r^{2}}{2\,U}\,.$$
(23.12)

Anhand dieser Beziehung wird in Beispiel 23.6 die Trennung von Nickelisotopen berechnet.

Mit Astons ursprünglicher Versuchsanordnung ließen sich relative Massendifferenzen \(\Updelta m/m\) mit einer Genauigkeit von ungefähr \(1:10\,000\) auf‌lösen. Bessere Auf‌lösungen erreicht man, indem man zwischen Ionenquelle und Magnetfeld ein Geschwindigkeitsfilter setzt, wodurch sich die Geschwindigkeit der in das Feld eintretenden Ionen eingrenzen und damit exakter festlegen lässt.

2.4 Das Zyklotron

Das Zyklotron wurde 1934 von Ernest O. Lawrence und M. Stanley Livingston entwickelt. Mit diesem Gerät lassen sich Teilchen wie Protonen und Deuteronen auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigen. (Ein Deuteron ist ein Kern von schwerem Wasserstoff, 2H, bestehend aus einem Proton und einem Neutron.) Diese energiereichen Teilchen werden anschließend auf Atomkerne geschossen, wodurch Kernreaktionen ausgelöst werden, deren Verlauf Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Zielkerne zulässt. Außerdem verwendet man die schnellen Teilchen zur Erzeugung radioaktiver Substanzen und für medizinische Zwecke.

Das Funktionsschema eines Zyklotrons sehen Sie in Abb. 23.21. Die Teilchen bewegen sich in zwei halbkreisförmigen, aufgrund ihrer Gestalt „Ds“ genannten Metallbehältern. Die Ds befinden sich in einer Vakuumkammer, damit die beschleunigten Teilchen keine Energie durch Zusammenstöße mit Molekülen der Luft verlieren können. An der gesamten Anordnung liegt ein von einem Elektromagneten erzeugtes homogenes äußeres Magnetfeld an. Zwischen den Ds wird eine Potenzialdifferenz \(U\) erzeugt, die sich mit der Periode \(T\) zeitlich ändert; \(T\) ist die durch Gl. 23.7 gegebene Zyklotronperiode, \(T=2\,\pi\,m/|q\,{\boldsymbol{B}}|\). Die Potenzialdifferenz bewirkt ein elektrisches Feld in der Lücke zwischen den Ds, während das Innere der Ds feldfrei bleibt (die Metallgehäuse wirken als Abschirmung).

Abb. 23.21
figure 21

Funktionsschema eines Zyklotrons; der obere Teil des Magneten wurde weggelassen. Geladene Teilchen, emittiert von einer Quelle S in der Mitte der Anordnung, werden durch eine in der Lücke zwischen den Ds herrschende Potenzialdifferenz beschleunigt und bewegen sich entlang der gestrichelt eingezeichneten Bahn. Die Potenzialdifferenz ändert ihr Vorzeichen mit der Zyklotronfrequenz des untersuchten Teilchens, die nicht vom Radius der Bahn abhängt. Jedes Mal, wenn die Teilchen die Lücke erreichen, werden sie erneut beschleunigt, weshalb der Bahnradius immer größer wird

Positiv geladene Teilchen treten mit niedriger Geschwindigkeit aus der Ionenquelle S im Mittelpunkt der Anordnung aus und in \(\mathrm{D_{1}}\) ein. Darin beschreiben sie eine halbkreisförmige Bahn und erreichen nach der Zeit \(\frac{1}{2}\,T\) die Lücke zwischen \(\mathrm{D_{1}}\) und \(\mathrm{D_{2}}\). Die Potenzialdifferenz wird so eingestellt, dass \(\mathrm{D_{1}}\) in diesem Moment auf höherem Potenzial liegt als \(\mathrm{D_{2}}\). Folglich werden die Teilchen in der Lücke durch das elektrische Feld beschleunigt, ihre kinetische Energie nimmt um \(q\,U\) zu.

Da die kinetische Energie der Teilchen nun höher ist, ist der Bahnradius in \(\mathrm{D_{2}}\) größer. Wieder kommen die Teilchen nach der Zeit \(\frac{1}{2}\,T\) an der Lücke an, weil die Zyklotronperiode nicht von der Geschwindigkeit der Teilchen abhängt. Inzwischen hat das Potenzial in der Lücke sein Vorzeichen umgekehrt: \(\mathrm{D_{2}}\) befindet sich nun auf höherem Potenzial, die Teilchen werden beim Durchfliegen der Lücke erneut beschleunigt, und ihre kinetische Energie nimmt erneut um \(q\,U\) zu. Dieser Vorgang findet stets beim Überqueren der Lücke statt. Auf diese Weise wird der Bahnradius allmählich größer, bis die Teilchen schließlich aus dem Magnetfeld austreten. In einem typischen Zyklotron erreichen die Teilchen nach 50 bis 100 Umläufen Energien von bis zu mehreren Hundert Megaelektronenvolt.

Wir wollen nun die kinetische Energie eines Teilchens beim Austritt aus einem Zyklotron berechnen. Dazu setzen wir in Gl. 23.6 \(r\) gleich dem Maximalradius der Ds und lösen nach \(v\) auf:

$$r=\frac{m\,v}{|q\,{\boldsymbol{B}}|}\,,\quad v=\frac{|q\,{\boldsymbol{B}}|\,r}{m}\,$$

Die kinetische Energie ist dann

$$E_{\mathrm{kin}}=\frac{1}{2}\,m\,v^{2}=\frac{1}{2}\left(\frac{q^{2}\,B^{2}}{m}\right)r^{2}\,.$$
(23.13)

In Beispiel 23.7 wird die Energie eines beschleunigten Protons berechnet.

3 Das auf Leiterschleifen und Magnete ausgeübte Drehmoment

Auf eine stromdurchflossene Leiterschleife wirkt in einem homogenen Magnetfeld keine resultierende Kraft, aber ein Drehmoment. Die Lage der Schleife beschreiben wir durch einen Einheitsvektor \({\boldsymbol{\hat{n}}}\), der in Richtung der Normalen der Schleifenebene (senkrecht zu dieser) steht (Abb. 23.22). Wenn sich die Finger der rechten Hand in Richtung des Stroms durch die Leiterschleife krümmen, zeigt der Daumen in Richtung von \({\boldsymbol{\hat{n}}}\).

Abb. 23.22
figure 22

a Die Orientierung einer stromdurchflossenen Leiterschleife lässt sich durch den Normalenvektor \({\boldsymbol{\hat{n}}}\) beschreiben, einen Einheitsvektor, der senkrecht auf der Schleifenebene steht. b Rechte-Hand-Regel zur Bestimmung der Richtung von \({\boldsymbol{\hat{n}}}\): Wenn sich die Finger der rechten Hand in Richtung des Stroms durch die Leiterschleife krümmen, zeigt der Daumen in Richtung von \({\boldsymbol{\hat{n}}}\)

Abb. 23.23 zeigt, welche Kräfte in einem homogenen Magnetfeld auf eine rechteckige Leiterschleife wirken, deren Normalenvektor \({\boldsymbol{\hat{n}}}\) einen Winkel \(\theta\) mit der Richtung des Magnetfelds \({\boldsymbol{B}}\) einschließt. Die Summe der Kräfte ist null, ihre Beträge sind gegeben durch

$$|{\boldsymbol{F}}_{1}|=|{\boldsymbol{F}}_{2}|=I\,|{\boldsymbol{a}}|\,|{\boldsymbol{B}}|\,.$$

\({\boldsymbol{F}}_{1}\) und \({\boldsymbol{F}}_{2}\) bilden ein Kräftepaar. Das Drehmoment ist deshalb bezüglich jedes Punkts auf der Leiterschleife gleich. Zur Berechnung des Drehmoments wählen wir bequemerweise Punkt \(P\) in Abb. 23.23. Der Betrag des Drehmoments ist

$$\begin{aligned}\displaystyle|{\boldsymbol{M}}|=|{\boldsymbol{F}}_{2}|\,|{\boldsymbol{b}}|\,\sin\theta&\displaystyle=I\,|{\boldsymbol{a}}|\,|{\boldsymbol{B}}|\,|{\boldsymbol{b}}|\,\sin\theta\\ \displaystyle&\displaystyle=I\,|{\boldsymbol{A}}|\,|{\boldsymbol{B}}|\,\sin\theta\,,\end{aligned}$$

wobei der Flächenbetrag eines Parallelogramms mit den Seiten \({\boldsymbol{a}}\) und \({\boldsymbol{b}}\) gegeben ist durch \(|{\boldsymbol{A}}|=|{\boldsymbol{a}}\times{\boldsymbol{b}}|\). Für den Spezialfall des Rechtecks ergibt sich \(|{\boldsymbol{A}}|=|{\boldsymbol{a}}|\,|{\boldsymbol{b}}|\,\sin 90^{\circ}=|{\boldsymbol{a}}|\,|{\boldsymbol{b}}|\); dies ist die Fläche der Leiterschleife. Für eine Schleife mit \(n\) Windungen gilt entsprechend

$$|{\boldsymbol{M}}|=n\,I\,|{\boldsymbol{A}}|\,|{\boldsymbol{B}}|\,\sin\theta\,.$$

Das Drehmoment versucht die Schleife so zu drehen, dass \({\boldsymbol{\hat{n}}}\) in dieselbe Richtung zeigt wie \({\boldsymbol{B}}\).

Abb. 23.23
figure 23

a Rechteckige, stromdurchflossene Leiterschleife, deren Normalenvektor \({\boldsymbol{\hat{n}}}\) einen Winkel \(\theta\) mit der Richtung eines homogenen Magnetfelds \({\boldsymbol{B}}\) einschließt. b Seitenansicht der Leiterschleife. Das ausgeübte Drehmoment hat den Betrag \(I\,|{\boldsymbol{A}}|\,|{\boldsymbol{B}}|\,\sin\theta\) und ist so gerichtet, dass durch die Drehung der Schleife der Normalenvektor mit der Richtung von \({\boldsymbol{B}}\) zur Deckung kommt

Eine einfachere Schreibweise für das Drehmoment ergibt sich, wenn wir zuvor das magnetische Dipolmoment \({\boldsymbol{\mu}}\) (oder kürzer das magnetische Moment) einführen und für eine Leiterschleife angeben.

Magnetisches Moment einer Leiterschleife

$$\begin{aligned}{\boldsymbol{\mu}}=n\,I\,{\boldsymbol{A}}\end{aligned}$$
(23.14)

Hierbei steht der Flächenvektor \({\boldsymbol{A}}\) in Richtung der Normalen auf der Fläche (\({\boldsymbol{A}}=A\,{\boldsymbol{\hat{n}}}\)).

Die SI-Einheit des magnetischen Moments ist \(\mathrm{A\cdot m^{2}}\) (Ampere mal Meter zum Quadrat). Das magnetische Moment \({\boldsymbol{\mu}}\) einer stromdurchflossenen Leiterschleife erzeugt in einem homogenen Magnetfeld \({\boldsymbol{B}}\) ein Drehmoment \({\boldsymbol{M}}\).

Drehmoment auf eine Leiterschleife

$$\begin{aligned}\mathbf{{\boldsymbol{M}}}={\boldsymbol{\mu}}\times{\boldsymbol{B}}\end{aligned}$$
(23.15)

Wir haben Gl. 23.15 zwar für eine rechteckige Leiterschleife abgeleitet, sie gilt aber für Leiterschleifen beliebiger Form – vorausgesetzt, sie liegen in einer Ebene. Das Drehmoment ergibt sich jeweils als Vektorprodukt des magnetischen Moments \({\boldsymbol{\mu}}\) der Schleife und des Magnetfelds \({\boldsymbol{B}}\), wobei das magnetische Moment als Vektor definiert ist, der in Richtung von \({\boldsymbol{\hat{n}}}\) zeigt und dessen Betrag gleich \(n\,I\,|{\boldsymbol{A}}|\) ist (Abb. 23.24). Ein Vergleich von Gl. 23.15 mit Gl. 18.11 (\(\mathbf{{\boldsymbol{M}}}={\boldsymbol{\wp}}\times{\boldsymbol{E}}\)) zeigt, dass sich eine Leiterschleife in einem Magnetfeld genauso verhält wie ein elektrischer Dipol in einem elektrischen Feld. Beispiel 23.8 und Übung 23.1 verdeutlichen Anwendungen des Drehmoments bei Leiterschleifen.

Abb. 23.24
figure 24

Eine ebene, stromdurchflossene Leiterschleife beliebiger Form wird durch ihr magnetisches Moment \({\boldsymbol{\mu}}=n\,I\,|{\boldsymbol{A}}|\,{\boldsymbol{\hat{n}}}\) beschrieben. In einem Magnetfeld \({\boldsymbol{B}}\) wirkt auf die Schleife das Drehmoment \({\boldsymbol{\mu}}\times{\boldsymbol{B}}\)

3.1 Die potenzielle Energie eines magnetischen Dipols in einem Magnetfeld

Wirkt ein Drehmoment auf ein rotierendes Objekt, so wird Arbeit verrichtet. Die bei der Drehung eines magnetischen Dipols um einen Winkel \(\mathrm{d}\theta\) verrichtete Arbeit ist

$$\mathrm{d}W=-|{\boldsymbol{M}}|\,\mathrm{d}\theta=-|{\boldsymbol{\mu}}|\,|{\boldsymbol{B}}|\,\sin\theta\,\mathrm{d}\theta$$

mit \(\theta\) als Winkel zwischen \({\boldsymbol{\mu}}\) und \({\boldsymbol{B}}\); das Minuszeichen kommt zustande, weil \(\theta\) durch die Wirkung des Drehmoments kleiner wird. Setzen wir diese Arbeit gleich der Abnahme der potenziellen Energie \(E_{\mathrm{pot}}\) des Systems, so erhalten wir

$$\mathrm{d}E_{\mathrm{pot}}=-\mathrm{d}W=+|{\boldsymbol{\mu}}|\,|{\boldsymbol{B}}|\,\sin\theta\,\mathrm{d}\theta\,,$$

und die Integration liefert

$$E_{\mathrm{pot}}=-|{\boldsymbol{\mu}}|\,|{\boldsymbol{B}}|\,\cos\theta+E_{\mathrm{pot,0}}\,.$$

Als Nullpunkt der potenziellen Energie wählen wir \(\theta=90^{\circ}\). Dann ist \(E_{\mathrm{pot,0}}=0\). Nach der Festlegung des Nullpunktes können wir nun die potenzielle Energie des Dipols als Funktion des Winkels \(\theta\) angegeben.

Potenzielle Energie eines magnetischen Dipols

$$\begin{aligned}E_{\mathrm{pot}}=-|{\boldsymbol{\mu}}|\,|{\boldsymbol{B}}|\,\cos\theta=-{\boldsymbol{\mu}}\cdot{\boldsymbol{B}}\end{aligned}$$
(23.16)

Gl. 23.16 gibt die potenzielle Energie eines magnetischen Dipols an, der mit der Richtung eines umgebenden magnetischen Felds den Winkel \(\theta\) einschließt. Diese Beziehung wird in Beispiel 23.9 verdeutlicht.

Abb. 23.27
figure 25

Koordinatensystem der Spule

Bringt man einen Permanentmagneten, etwa eine Kompassnadel oder einen Stabmagneten, in ein Magnetfeld \({\boldsymbol{B}}\), so wirkt darauf ein Drehmoment: Die Nadel richtet sich entlang der Feldlinien aus. (Dieser Effekt tritt auch mit zuvor nicht magnetischen Eisenfeilspänen auf, die durch das \({\boldsymbol{B}}\)-Feld magnetisiert werden.) Der Stabmagnet besitzt ein magnetisches Moment \({\boldsymbol{\mu}}\); dieser Vektor zeigt in Richtung eines Pfeils, der Südpol und Nordpol des Magneten verbindet. Ein kleiner Stabmagnet verhält sich demnach im Magnetfeld genauso wie eine Leiterschleife. Zum Abschluss illustriert Beispiel 23.10, wie die Ladungen in einer rotierenden Scheibe zu einem magnetischen Moment führen.

Abb. 23.28
figure 26

Kreisring mit Radius \(r\) und Breite d\(r\)

3 Übung 23.1: Kippen einer Leiterschleife

Eine kreisrunde Leiterschleife mit dem Radius \(r\) und der Masse \(m\), durch die ein Strom \(I\) fließt, liegt auf einer waagerechten Fläche (23.25) und ist von einem waagerecht orientierten Magnetfeld \({\boldsymbol{B}}\) umgeben. Wie groß darf die Stromstärke höchstens sein, damit sich der Umfang der Schleife gerade noch nicht seitlich von der Unterlage abhebt?

Abb. 23.25
figure 27

Darstellung der kreisrunden Leiterfläche und des waagerecht orientierten Magnetfelds

3 Problembeschreibung:

Die Schleife beginnt sich zu heben, wenn der Betrag des resultierenden Drehmoments ungleich null ist (Abb. 23.26). Um das Drehmoment zu eliminieren, das durch die Normalkraft entsteht, führen wir unsere Rechnung bezüglich des Berührungspunkts zwischen Schleife und Fläche aus. Das Magnetfeld ruft das Drehmoment \(\mathbf{{\boldsymbol{M}}}={\boldsymbol{\mu}}\times{\boldsymbol{B}}\) hervor, das bezüglich aller Punkte gleich ist, da jeweils Kräftepaare vorliegen. Der Hebelarm, an dem das Drehmoment der Gravitation angreift, ist der Radius des Kreises.

Abb. 23.26
figure 28

Illustration der Neigung der Leiterschleife bei einem resultierenden Drehmoment \({\boldsymbol{M}}\) ungleich null

Decken Sie zunächst die nachfolgenden Ergebnisse ab und versuchen Sie, sie selbst zu ermitteln.

3 Lösung:

  1. 1.

    Berechnen Sie das auf die Schleife wirkende magnetische Drehmoment.

  2. 2.

    Berechnen Sie den Betrag des Drehmoments, das die Gravitationskraft auf die Schleife ausübt.

  3. 3.

    Setzen Sie die Beträge der Drehmomente gleich und lösen Sie nach dem Strom \(I\) auf.

3 Ergebnisse der Lösungsschritte:

  1. 1.

    \(\begin{aligned}\displaystyle M_{\mathrm{B}}=\mu\,B\,\sin 90{,}0^{\circ}=I\,\pi\,r^{2}\,B\end{aligned}\)

  2. 2.

    \(\begin{aligned}\displaystyle M_{\mathrm{G}}=-m\,g\,r\end{aligned}\)

  3. 3.

    \(\begin{aligned}\displaystyle I=\underline{\frac{m\,g}{\pi\,r\,B}}\end{aligned}\)

Plausibilitätsprüfung: Für konstantes \(B\) ist der Strom direkt proportional zur Masse. Dieses Ergebnis leuchtet ein: Je größer die Masse der Schleife ist, desto stärker muss der Strom sein, um sie zum Kippen zu bringen.

4 *Der Hall-Effekt

Wie wir gesehen haben, wirkt in Magnetfeldern auf bewegte Ladungen senkrecht zu ihrer Bewegungsrichtung eine Kraft. In einem stromdurchflossenen Leiter „schiebt“ diese Kraft die Ladungsträger auf eine Seite des Leiters, und es kommt zu einer Ladungstrennung. Dieses Phänomen nennt man Hall-Effekt. Man kann den Hall-Effekt ausnutzen, um das Vorzeichen und die Anzahldichte \(n\) der Ladungsträger in einem Leiter zu bestimmen oder auch um Magnetfeldstärken zu messen.

In Abb. 23.29 sehen Sie zwei aus einem leitfähigen Material bestehende Streifen, die jeweils von links nach rechts von einem Strom \(I\) durchflossen werden (die linke Seiten jedes Streifens ist mit dem positiven, die rechte mit dem negativen Pol einer Spannungsquelle verbunden). Die Streifen sind von einem Magnetfeld \({\boldsymbol{B}}\) umgeben, das in die Papierebene hineinzeigt. Nehmen wir zunächst an, es handelt sich um positive Ladungsträger, die sich nach rechts bewegen (Abb. 23.29a). Auf diese Teilchen wirkt im Mittel die magnetische Kraft \(q\,{\boldsymbol{v}}_{\mathrm{d}}\times{\boldsymbol{B}}\) (\({\boldsymbol{v}}_{\mathrm{d}}\) ist die Driftgeschwindigkeit der Ladungsträger), die in der Papierebene nach oben zeigt. Die positiv geladenen Teilchen bewegen sich deshalb in Richtung des oberen Rands des Streifens, im Bereich des unteren Rands verbleibt ein Überschuss an negativen Ladungen. Infolge dieser Ladungstrennung entsteht im Streifen ein elektrisches Feld \({\boldsymbol{E}}\), das auf die Ladungsträger eine Kraft ausübt, die der magnetischen Kraft entgegengesetzt gerichtet ist. Gleichen sich die Kräfte gerade aus, dann hört die Bewegung der Ladungsträger auf. Da das elektrische Feld in Richtung abnehmenden Potenzials zeigt, befindet sich in diesem Moment die obere Kante des Streifens auf höherem Potenzial als die untere. Diese Potenzialdifferenz kann man mit einem empfindlichen Voltmeter messen.

Abb. 23.29
figure 29

Der Hall-Effekt. Das Magnetfeld zeigt in die Papierebene hinein, wie die Kreuze angeben. Wenn der Strom von links nach rechts fließt, übt das Magnetfeld eine nach oben gerichtete Kraft aus – gleichgültig, ob es sich a um positive Ladungsträger handelt, die sich nach rechts bewegen, oder b um negative Ladungsträger, die sich nach links bewegen

Negative Ladungsträger (Abb. 23.29b) hingegen müssen sich im Leiter nach links bewegen (da der Strom, definiert als die Bewegung der positiven Ladungsträger, wieder von links nach rechts fließen soll). Die magnetische Kraft \(q\,{\boldsymbol{v}}_{\mathrm{d}}\times{\boldsymbol{B}}\) zeigt auch in diesem Fall nach oben (sowohl \(q\) als auch \({\boldsymbol{v}}_{\mathrm{d}}\) haben das Vorzeichen geändert). Die Ladungsträger bewegen sich wie zuvor zur oberen Kante; dort sammelt sich nun aber ein Überschuss negativer Ladung an, während die untere Kante positiv geladen zurückbleibt.

Eine Messung des Vorzeichens der Potenzialdifferenz zwischen oberem und unterem Rand des Streifens führt also unmittelbar zum Vorzeichen der Ladungsträger. In Halbleitern können negativ geladene Ionen oder positiv geladene „Löcher“ als Ladungsträger fungieren. Mit der beschriebenen Messung kann man dann feststellen, welcher Mechanismus des Ladungstransports in einem bestimmten Halbleiter überwiegt. Besteht der Streifen aus einem normalen metallischen Leiter, so findet man für die obere Kante des Streifens in Abb. 23.29b ein niedrigeres Potenzial als für die untere, was bedeutet, dass die obere Kante eine negative Überschussladung aufweisen muss. Experimente dieser Art führten historisch zu dem Schluss, dass negative Ladungsträger für die Leitfähigkeit typischer Metalle verantwortlich sind. Abb. 23.29b gibt diese Situation korrekt wieder.

Die Potenzialdifferenz zwischen dem oberen und dem unteren Rand des Streifens nennt man Hall-Spannung. Ihren Wert können wir als Funktion der Driftgeschwindigkeit der Ladungsträger angeben. Das Magnetfeld übt auf die Ladungsträger im Streifen eine Kraft \(q\,v_{\mathrm{d}}\,B\) aus. Diese Kraft wird kompensiert durch die elektrostatische Kraft \(-q\,E_{\mathrm{H}}\), wobei \({\boldsymbol{E}}_{\mathrm{H}}\) das elektrische Feld ist, das durch die Ladungstrennung im Leiter entsteht. Wir schreiben daher für den Gleichgewichtszustand \(E_{\mathrm{H}}=v_{\mathrm{d}}\,B\). Ist die Breite des Streifens gleich \(b\), so beträgt die Potenzialdifferenz \(E_{\mathrm{H}}\,b\), und für die Hall-Spannung erhalten wir

$$U_{\mathrm{H}}=E_{\mathrm{H}}\,b=v_{\mathrm{d}}\,B\,b\,.$$
(23.17)

In normalen Leitern ist die Driftgeschwindigkeit der Ladungsträger sehr klein. Für Streifen mit gewöhnlichen Abmessungen und Magnetfeldstärken im Bereich von 1 T ist deshalb, wie aus Gl. 23.17 ersichtlich, auch die Hall-Spannung sehr klein. Aus Messungen der Hall-Spannung eines Streifens mit gegebenen Abmessungen können wir die Anzahldichte \(n/V\) (Anzahl pro Volumeneinheit) der Ladungsträger im Leiter berechnen. Gl. 22.3 liefert die Stromstärke:

$$|I|=(n/V)\,|q|\,v_{\mathrm{d}}\,A\,$$

mit \(A\) als Querschnittsfläche des Streifens. Für einen Streifen mit der Breite \(b\) und der Dicke \(d\) ist \(A=b\,d\). Die Ladungsträger sind Elektronen, für \(|q|\) setzen wir deshalb den Betrag von \(-e\) ein. Die Anzahldichte \((n/V)\) der Ladungsträger ist dann

$$n/V=\frac{|I|}{A\,|q|\,v_{\mathrm{d}}}=\frac{|I|}{b\,d\,e\,v_{\mathrm{d}}}\,.$$
(23.18)

Wir setzen gemäß Gl. 23.17 \(U_{\mathrm{H}}/B\) für \(v_{\mathrm{d}}\,b\) ein und erhalten

$$n/V=\frac{|I|\,B}{d\,e\,U_{\mathrm{H}}}\,.$$
(23.19)

In Beispiel 23.11 werden aus einer Hall-Spannung die Anzahldichten von Silberatomen und Ladungsträgern berechnet.

Die Hall-Spannung bietet einen bequemen Weg zur Messung von Magnetfeldern. Dazu stellen wir Gl. 23.19 um:

$$U_{\mathrm{H}}=\frac{|I|}{(n/V)\,d\,e}B\,$$
(23.20)

Zu Beginn des Versuchs eicht man einen Metallstreifen durch Messung der Hall-Spannung bei gegebener Stromstärke in einem bekannten Magnetfeld. Anschließend bringt man den Streifen in ein unbekanntes Magnetfeld, misst die Hall-Spannung, wenn ein gegebener Strom fließt, und berechnet daraus die Stärke des Magnetfelds.

4.1 Quanten-Hall-Effekte

Gemäß Gl. 23.20 sollte die Hall-Spannung für einen gegebenen Leiterstreifen, in dem ein gegebener Strom fließt, linear von der Stärke des Magnetfelds abhängen. 1980 untersuchte der deutsche Physiker Klaus von Klitzing den Hall-Effekt in Halbleitern bei sehr tiefen Temperaturen in extrem starken Magnetfeldern und erhielt das überraschende Ergebnis, dass der lineare Zusammenhang unter diesen Bedingungen nicht mehr gilt. Wie in Abb. 23.30 dargestellt, erkennt man im Graphen von \(U_{\mathrm{H}}\) als Funktion von \(B\) eine Reihe von Plateaus: Die Hall-Spannung kann nur bestimmte Werte annehmen; sie ist gequantelt. Für die Entdeckung dieses ganzzahligen Quanten-Hall-Effekts wurde von Klitzing 1985 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Abb. 23.30
figure 30

Trägt man die Hall-Spannung als Funktion des angelegten Magnetfelds auf, so steigt der Graph nicht geradlinig, sondern in Stufen an: Die Hall-Spannung ist gequantelt. Die Messung fand bei einer Temperatur von 1,39 K und einer konstanten Stromstärke von 25,52 µA statt

Die Theorie des ganzzahligen Quanten-Hall-Effekts sagt aus, dass der Hall-Widerstand, definiert als \(R_{\mathrm{H}}=U_{\mathrm{H}}/I\), nur die Werte

$$R_{\mathrm{H}}=\frac{U_{\mathrm{H}}}{I}=\frac{R_{\mathrm{K}}}{n}\quad\mathrm{mit}\quad n=1,2,3,\ldots$$
(23.21)

annehmen kann; \(n\) ist eine ganze Zahl und \(R_{\mathrm{K}}\) die Klitzing-Konstante, die mit der Elementarladung \(e\) und der Planck-Konstante \(h\) wie folgt verknüpft ist:

$$R_{\mathrm{K}}=\frac{h}{e^{2}}\,$$
(23.22)

Aufgrund der exakt definierten Konstanten \(e\) und \(h\) ist die Klitzing-Konstante ebenfalls exakt und hat den Wert:

$$R_{\mathrm{K}}=2{,}581\,280\,745\ldots\cdot 10^{4}\,\Upomega$$
(23.23)

1982 wurde experimentell beobachtet, dass die Hall-Spannung in bestimmten Fällen durch Gl. 23.21 gegeben ist, wenn \(n\) diskreten rationalen Brüchen aus kleinen ganzen Zahlen entspricht. Für die Entdeckung und Erklärung dieses fraktionalen Quanten-Hall-Effekts erhielten die Amerikaner Laughlin, Störmer und Tsui 1998 den Nobelpreis.