Ein Konzerthaus für Bruckner: Der Traum der Enthusiasten | DiePresse.com
„Baut alle mit.“ Werbezug für den Bau des Brucknerhauses, 1950.
Die Idee vom Brucknerhaus Linz

Ein Konzerthaus für Bruckner: Der Traum der Enthusiasten

Die Idee, in Linz, das keinen Konzertsaal besaß, ein Brucknerhaus zu bauen, konnte sich lang nicht durchsetzen.

Die Notwendigkeit eines Symphonieorchesters in einer Stadt mit 180.000 Einwohnern und in einem Lande, das den größten Symphoniker seit Beethoven hervorgebracht hat, kann wohl von niemand bezweifelt werden“, hieß es Ende 1945 in einem Memorandum der Stadtgemeinde Linz. Die übrigen Bundesländer hätten bereits solche Landes-Symphonieorchester für den Konzert- und Opernbetrieb in ihren Hauptstädten: „Warum sollte dies in Oberösterreich nicht möglich sein?“

Linz besaß zwar ein Landestheater mit Musikern und einen Konzertverein, doch beides war in der Nachkriegszeit aus dem kommunalen Budget nicht finanzierbar. Die Musiker drohten in alle Winde zerstreut zu werden. Kein internationaler Künstler verirrte sich in den Rathausfestsaal, die Besucherzahlen gingen rapide zurück. 1950 kam es zu einem denkwürdigen Symphoniekonzert: Clemens Krauss dirigierte im Turnsaal der Diesterwegschule Haydn, Schumann, Richard Strauss und Wagner. Dort, wo tagsüber die Schüler die Sprossenwand auf und ab kletterten, saßen am Abend Kulturfreunde im Frack und bodenlangen Kleidern.

Die Konzertsaalmisere verärgerte das Linzer Kulturpublikum. Für ein Stadion war genug Geld da, so die Klage der Bruckner-Begeisterten, die sich zu einer Brucknerhaus-Gemeinde zusammenfanden und 1949 Brucknerfesttage organisierten. Ein „Brucknerhaus“ war seit jeher ihr Wunschtraum und natürlich die Vorstellung von Linz als einem „Bruckner-Bayreuth“ und Wallfahrten der Musikenthusiasten.

Doch die Idee, für die oberösterreichische Landeshauptstadt ein Brucknerhaus zu errichten, war schon deutlich älter. Kein Geringerer als Bruckners erster Biograf August Göllerich hatte den Plan zusammen mit dem Musikschriftsteller Franz Gräflinger schon vor dem Ersten Weltkrieg verfolgt. „Was Mozart für Salzburg, muss Bruckner für Linz bedeuten“, so die Festredner bei der Enthüllung einer Gedenktafel für den Komponisten 1922. „Linz soll ein Brucknerhaus mit einer großen Orgel erhalten.“ (Linzer Volksblatt, 23. Mai 1922).

Mitte der Zwanzigerjahre fand bereits ein Konzert stand, um Spenden zu lukrieren. Auch 1930 gab es ein Festkonzert. Hier hieß es: „Das Bruckner-Festspielhaus – das Wort klingt heute noch wie Zukunftsmusik – ist kein leerer Wahn.“ Gespielt wurde Bruckners IV. Symphonie, Ausführende waren die Regimentsmusiker der Alpenjäger-Regimenter 7 und 8, das Konzert wurde natürlich im Radio übertragen. Doch alles, was zustande kam, waren Wohltätigkeitsveranstaltungen mit keinem durchschlagenden finanziellen Erfolg.

Die Nazis schwelgten in Superlativen: Sie gründeten ein städtisches Symphonieorchester, das zu einem der besten deutschen Konzertorchester entwickelt werden sollte, und hatten gewaltige Neugestaltungspläne für Linz. Doch als deren Tausendjähriges Reich untergegangen war, waren auch die Festsäle von Linz durch Bomben zerstört und das städtische Symphonieorchester wurde von der amerikanischen Besatzungsmacht aufgelöst, die Musiker entlassen. Doch man wollte in Linz nicht alle kulturellen Ambitionen aufgeben und engagierte die 36 Musiker für das Landestheater.

Linz will ein Konzertleben

Auf die Dauer ohne Berufsorchester auszukommen, war auch in der bedrückenden Situation nach dem Krieg nicht vorstellbar. Man wollte ein Theater- und Konzertleben. Und man wollte vom Image der „Stadt des Führers“ wegkommen. Wiederaufbau bedeute, so Bürgermeister Ernst Koref, nicht einfach „Wiederherstellung des früheren Zustandes. Im Gegenteil, diese Stadt, die in nicht einmal einem Jahrzehnt um mehr als die Hälfte gewachsen ist, braucht ein neues Kleid. Das alte taugt nicht mehr, aber auch das Kleid, das die größenwahnsinnigen Städtebauer des Dritten Reiches zu schneidern begonnen haben, ist ungeeignet und so ergibt sich für die Stadtväter und das Stadtbauamt die schwere und verantwortungsvolle Aufgabe, gleichzeitig mit dem Wiederaufbau eine grundsätzliche Neuplanung dieser Stadt vorzunehmen.“

Berühmt wurde Korefs Formulierung, dass 1945 aus der Barockstadt Linz eine Barackenstadt geworden war. Die Stadt war überschwemmt von Flüchtlingen und ab August 1945 über zehn Jahre lang in einen von den Amerikanern besetzten Südteil und einen von der Sowjetunion okkupierten Nordteil getrennt. „In Linz herüben der Ami, in Urfahr drüben der Ruß – der Ritt über die Bruckn wird a harte Nuss…!“, sagte man damals. Gemeint war die Fahrt mit der Tramway, einer Straßenbahngarnitur der Linzer ESG, über die Nibelungenbrücke, die beide Stadtteile Linz-Zentrum und Urfahr verband. Schikanöse Ausweiskontrollen, vor allem von den russischen Besatzern auf der Urfahraner Seite, waren oft an der Tagesordnung und die Fahrt einer Strecke von nur wenigen Hundert Metern konnte oftmals sehr langwierig werden. Der legendäre Satz von Landeshauptmann Heinrich Gleißner: „Wir haben die längste Brücke der Welt. Sie beginnt in Washington und endet in Sibirien“, hat sich gleichfalls tief ins kollektive Gedächtnis gegraben. Als 1953 die Brückenkontrollen aufgehoben wurden, feierte die ganze Stadt.

Während des Wiederaufbaus sorgten primär die Großbetriebe Vöest und Chemie Linz für das Image des herausragenden österreichischen Industriestandortes. Drei Jahre nach Kriegsende sprach Bürgermeister Koref bereits von einem „Linzer Wunder“, das rasche Anwachsen der Stadt und der Großindustrie zeuge von einem geradezu „amerikanischen Tempo“. Und dies trotz der katastrophalen Ausgangssituation nach den alliierten Luftangriffen und dem Mangel an Arbeitskräften. 2000 zerstörte Wohnungen waren neu aufgebaut, Linz sollte durch die Neugestaltung der Donauufer zu einer Gartenstadt werden.

Wichtig sei auch die Wiederaufnahme des kulturellen Lebens. Angesichts des Wandels einer ehemals „bäuerlichen Provinzstadt“ zu einer „Industriegroßstadt“, so Koref 1953, sei die Förderung eines „kulturellen Gegengewichts“ besonders wichtig. „Soll die industrielle Entwicklung die seelische und körperliche Gesundheit der Bevölkerung nicht gefährden, muss Linz zur Kultur- und Gartenstadt ausgebaut werden.“

Ein Hemmnis für das Kulturleben war freilich die ungelöste Saalfrage. Die aus der Zwischenkriegszeit stammenden Gebäude, die dafür infrage gekommen wären, Südbahnhalle und Volksgartenhalle, waren zu Kriegsende zerstört worden. Ohne Ersatz erschien ein musikalisches Leben in der Stadt nicht möglich. Das wurde das Anliegen eines Proponentenkomitees, der Brucknerhausgemeinde, eines Bundes kulturell engagierter Linzer, zu dem der langjährige Kulturamtsleiter von Linz, Hanns Kreczi gehörte. Wir verdanken dem Historiker und Heimatkundler eine ganze Reihe von Publikationen zum Thema Brucknerhaus, ohne die eine Rekonstruktion der Ereignisse (wie dieser Text) nicht möglich wäre.

Die Brucknergemeinde

Es ging schlicht darum, Geld zu sammeln für ein Konzertgebäude, das einen großen Saal für 2500 und einen kleinen für 600 Personen umfassen sollte. Auch eine Ehrenhalle und Ausstellungsräume waren geplant sowie eine Gesamtausgabe aller Werke des Meisters. Die Kosten von 25 Millionen Schilling: Das war wohl nur zu stemmen, wenn Brucknerfreunde in aller Welt zu Spenden motiviert wurden. So gab es im März 1950 – ohne Brucknerhaus – das erste Brucknerhauskonzert der Nachkriegszeit, Dirigent Volkmar Andreae und die Musiker, immerhin die Wiener Symphoniker, stellten sich unentgeltlich zur Verfügung. Alles was in Oberösterreich Rang und Namen hatte, vom Abt bis zum Bürgermeister, kam. Jubel brandete auf, als in der Pause ein wohlwollendes Telegramm des Dirigenten Bruno Walter aus den USA vorgelesen wurde.

Bürgermeister Ernst Koref zeigte eine Spur von Realismus: „Das Ziel ist groß und vielleicht auch weit. Aber der kulturelle Auftrieb dieser Stadt soll und wird es erreichen.“ Auch ein großer Blumenkorso wurde für das Projekt ins Leben gerufen, Rosi Huber wurde Blumenkönigin, Tausende Menschen säumten die Straßen von Linz, durch die der Festzug zog. Eine Bausteinaktion in ganz Oberösterreich brachte rund 300.000 Schilling. Auch im Ausland wurde für die Brucknerhausidee die Trommel gerührt. 250 Kapellen trafen 1951 in ganz Oberösterreich beim zweiten Blumenkorso zusammen. Doch wofür sollte man spenden? Es lag kein Projektplan vor. Als Öffentlichkeitsarbeit für eine gute Idee war das alle sehr lobens- und bewundernswert, es brachte aber de facto keine Finanzierungsbasis.

Es gab zu wenig Geld von der öffentlichen Hand, also kam eine Spendenaktion.
Es gab zu wenig Geld von der öffentlichen Hand, also kam eine Spendenaktion.Archiv der Stadt Linz

In den Anekdotenschatz ging das zweite Brucknerhauskonzert ein. Es stand unter der Devise: „Karajan dirigiert die Wiener Symphoniker in Linz für das Brucknerhaus!“ Die Veranstaltung fand wieder in besagtem Turnsaal statt, am 5. Februar 1951, und wurde denkwürdig „durch den schrillen Pfiff einer Lokomotive auf dem nahen Industriegeleise, der mitten im Adagio der VIII. Symphonie Bruckners den aufrüttelnden Kontrapunkt zur Linzer Konzertsaalmisere setzte“. (Hanns Kreczi). Berühmt wurde auch jene Dame, der es zu heiß geworden war und die sich deswegen den Schuh auszog: Während einer besonders ruhigen Stelle polterte das Schuhwerk über die hochgestapelten Bankreihen nach unten und blieb in der Sprossenwand hängen. Maestro Karajan soll nicht nur deswegen geschworen haben, nie wieder dort aufzutreten.

So wurde Anfang der 1950er-Jahre gerungen um das Projekt eines Brucknerhauses für 2500 Personen. Doch die erforderlichen 25 Millionen Schilling waren durch Spenden schlicht nicht aufzubringen, ein Projekt des Architekten Clemens Holzmeister fand kein Interesse. Die Brucknerhausgemeinde löste sich wieder auf. Oberösterreichs Landeshauptmann Heinrich Gleißner und der Linzer Bürgermeister Ernst Koref setzten sich zusammen, doch schließlich waren andere Projekte wie der Schlossausbau und der Umbau des Landestheaters dringlicher.

Furtwängler in der Remise

Also kein (geeigneter) Konzertsaal für Linz, obwohl inzwischen erstklassige Orchester kamen, zum Beispiel die Wiener Philharmoniker unter Wilhelm Furtwängler am 1. Juni 1953, die Beethovens IX. Symphonie aufführten. Ein „abenteuerliches Unterfangen“, so die Oberösterreichischen Nachrichten, angesichts des Veranstaltungsortes, einer Straßenbahnremise am Stadtrand. Der Kritiker erlebte bange Minuten, als sich eine Besucherin in der ersten Reihe während der Stelle „O Freunde, nicht diese Töne“, die ganze Breite des Podiums abschreitend, auf den Weg hinaus machte und wenige Minuten später wieder zurückkam. War man am Oktoberfest? Würde Furtwängler abbrechen? „Die Linzer von heute hören es nicht gern, wenn man von ‚Linz an der Tramway‘ spricht. Aber was soll man nun sagen, dass ihnen die ‚Tramway‘ sogar den Konzertsaal stellt?“, so die OÖN.

Wird Furtwängler abbrechen? Konzert in der Remise.
Wird Furtwängler abbrechen? Konzert in der Remise.Archiv der Stadt Linz

Das war tatsächlich ein merkwürdiger Kontrast: Der damalige Konzertdirektor Gerhard Schröder war ein Privatmann, der zuvor ein Kartenbüro geleitet hatte, er lotste Stars wie Beniamino Gigli und Hans Knappertsbusch nach Linz und sie traten dann in einer Remise auf. Die allerdings jedes Mal bis zum letzten Platz gefüllt war. Der Stadt war das zu kommerziell orientiert, die Kompetenzen von Konzertdirektor Schröder wurden 1953 zurückgestutzt. Die Musikdirektion von Linz übernahm Robert Schollum, er kümmerte sich um die Jugendarbeit und sorgte für Aufführungen moderner Werke, die zum ersten Mal hier zu hören waren.

Die Stadt wurde endgültig aus der deutschnationalen Abkapselung herausgelöst, doch merkbar war, dass das wackere Theaterorchester den neuen Anforderungen nicht recht gewachsen war. Die Stadt erlebte einen Imagegewinn, doch intern wurde viel herumgestritten und Schollum verließ 1959 Linz. Er sprach rückblickend von einem „Meer von Intrigen und schäbigsten Verleumdungen“. Das hat Ähnlichkeiten mit der Stimmung Bruckners beim Abschied von Linz.

Der Aufbau des Linzer Musiklebens stand aber insgesamt unter einem guten Stern. Inzwischen stiegen die Zahlen der Abonnenten, es konstituierte sich ein breites Publikum, das an internationaler Musik interessiert war, und auch das Landestheaterorchester gewann an Statur, es wurde in der Spielzeit 1955/56 sogar von dem prominenten Dirigenten Sergiu Celibidache gelobt. Er sagte, „dass ihm der frische Geist unseres Orchesters besser behage als die Routine von manchem ausgepumptem Symphonieorchester“ (Linzer Volksblatt, 19. November 1955), freilich mit einer Einschränkung: „Als unwürdig einer Stadt mit einer solchen Dynamik wie Linz empfand der Meister das Fehlen eines geeigneten Saales.“

Nach dem Umbau des Landestheaters stand 1956 die Neueröffnung bevor. Das Orchester musste nun die sozialen Härten einer Reorganisation des künstlerischen Betriebs unter dem impulsiven und autoritär auftretenden Theaterdirektor Oskar Walleck mitmachen. Er war ein Vollblut-Theatermann und Opernregisseur, der imstande war, ein Theater aus der Provinzialität herauszuführen. Doch es stellte sich heraus, dass seine Vertrauensbasis in der Belegschaft mehr als brüchig war. „Personalwechsel beim Landestheater wie noch nie“, schrieben die OÖN. Walleck schied aus.

Am 1. Jänner 1957 war der anfangs skizzierte Plan von 1945 endgültig realisiert: Das Linzer Theater war endgültig zu einem Betrieb des Landes Oberösterreich geworden, der von der Stadt Linz eine Grundsubvention erhielt. Die Stadt wollte mehr als nur ein gutes Theaterorchester, sie wollte gute Gastdirigenten und Solisten für attraktive Symphoniekonzerte und ein tadelloses Konzertorchester auf hohem künstlerischen Niveau. Das erschien mit dem Dienst in einem Dreispartentheater, das Oper, Theater und Konzerte veranstaltete, nicht gut vereinbar, also kam die Idee auf, das Orchester aus der Theaterverwaltung herauszulösen und selbständig zu führen. Fernziel war auf der einen Seite ein selbstständiges Symphonieorchester in einem städtischen Brucknerhaus und parallel dazu ein Theaterorchester im Landestheater, auf der anderen Seite die Erziehung eines Konzertpublikums, für die man mehr Aufführungen brauchte. Im Grunde galt es als unzumutbar, dass ein Orchester an einem Tag Operette, am nächsten Oper und dann wieder eine Symphonie oder ein Musical spielte. So entstand eine Eigendynamik, die früher der später zu einem eigenständigen Orchester, einem Bruckner-Orchester, führen musste, das einen eigenen Konzertsaal zur Verfügung gestellt bekam.

»Ein Konzerthaus oder eine Mehrzweckhalle für den ganzen bunten Veranstaltungsreigen einer Großstadt?«

Oberösterreichische Nachrichten, 7. November 1959

Stadt und Land mussten sich zusammenraufen, sonst war die Finanzierung und Realisierung eines Brucknerhauses nicht möglich. Doch schon bei der Wahl des Standortes kam es zwischen den beiden Partnern zu Meinungsverschiedenheiten. Das Land wollte wegen seiner guten Erreichbarkeit den Linzer Bahnhofsplatz, die Stadt schlug als Bauplatz die Untere Donaulände vor, ebenfalls zentral gelegen und zusätzlich mit freier Gestaltungsmöglichkeit der unmittelbaren Umgebung. Die jeweiligen Präferenzen wurden hartnäckig verfolgt und das Projekt dadurch verschleppt.

Die Platzfrage hing natürlich eng mit dem Verwendungszweck der Konzerthalle zusammen: Sollte sie ausschließlich der Aufführung musikalischer Veranstaltungen dienen oder als Mehrzweckhalle auch für Messen, Kongresse, politische Massenveranstaltungen bis hin zu Sportevents wie Radrennen dienen, also „dem ganzen bunten Veranstaltungsreigen einer Großstadt gerecht werden“. Der diesbezügliche Leitartikel in den OÖN vom 7. November 1959 (er stammte von Chefredakteur Walter Pollak) erregte großes Aufsehen. Die Wogen der Auseinandersetzung gingen hoch. Die Lager mussten sich artikulieren. Wollten sie ein Objekt wie die Wiener Stadthalle oder die Rhein-Main-Halle in Wiesbaden oder ein Haus rein für Konzerte, wie es der Brucknerbund erwartete? Eigentlich war beides nötig und es nützte wenig, die Projekte gegeneinander auszuspielen.

Die Standortfrage

Das letzte Hindernis für die Ausschreibung war die Unsicherheit des Standorts gewesen, Ende 1960 gab Landeshauptmann Gleißner nach und stimmte dem Projekt Untere Donaulände zu. Ausschlaggebend war ein Gutachten des Städtebauexperten Roland Rainer, das sich gegen den Bahnhofsplatz ausgesprochen hatte: „In einer stark wachsenden Stadt sollten die Geländereserven im Bereich des Hauptbahnhofes zweifellos nicht für Gebäude verbraucht werden, die unmittelbare Bahnhofsnähe nicht unbedingt brauchen.“ Der Ufergrünstreifen an der Donau hätte die nötige Atmosphäre der Ruhe und Distanz, ohne das Gebäude in eine Isolation oder Randlage zu drängen. Das gesamte Gutachten wurde in den OÖN vom 31. März 1961 veröffentlicht.

Die Baukosten wurden auf Hundert Millionen Schilling geschätzt, der Bund sollte 20 %, das Land 20 % und die Stadt Linz 60 % übernehmen. Der Linzer Bürgermeister Koref zeigte sich beglückt über die Lösung, ein Herzenswunsch war in Erfüllung gegangen, wie er in seiner Radiorede am 20. April 1961 sagte: „Wir haben es als außerordentlich schmerzvoll und peinlich empfunden, dass die drittgrößte Stadt Österreichs 16 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg noch immer keine Konzerthalle besitzt.“ Im Spätherbst 1962 könne mit dem Bau begonnen werden, doch der Terminplan ließ sich nicht erfüllen. Koref konnte als Amtsträger das Projekt nicht abschließen.

Bei der Ausschreibung war auch der Verwendungszweck definiert worden: „Die Brucknerhalle soll folgenden Zwecken dienen: Konzerten aller Art, Vorträgen, Kongressen, Tagungen, repräsentativen gesellschaftlichen Veranstaltungen, Empfängen, Festen, Feiern, Bällen.“ Der Begriff Konzerthaus sei also irreführend, so Koref. Am 16. Juli 1962 beschloss der Linzer Gemeinderat, dem Ausschreibungssieger, dem finnischen Architekten Heikki Sirén, das Projekt anzuvertrauen. Der Abschluss der Vorbereitungsarbeiten wurde für 1964 erwartet, doch durch die Verzögerungen war der ursprünglich vorgesehene Errichtungspreis nicht mehr zu halten, aus 100 Millionen Schilling waren 150 geworden.

Also neue Verhandlungen über die Anteile von Bund, Land und Stadt. Nun geriet das ganze Projekt ins Wackeln, die Gegner eines Brucknerhauses, die Befürworter einer Stadthalle, meldeten sich zu Wort: Man sollte die Linzer befragen, was sie wirklich wollten. „Bei allem Respekt vor der Kunst, vor dem Genius Bruckner und vor dem kulturell interessierten Publikum: Die Stadt muss beim Bau einer 150-Millionen-Anlage auch an die Rentabilität denken, vor allem dann, wenn sie vom Bund im Stich gelassen wird. Und in dieser Hinsicht ist die Mehrzweckhalle der Bruckner-Halle klar überlegen. Sportmeetings, gemischte Veranstaltungen oder volkstümliche Darbietungen werden zweifellos ein größeres Publikumsinteresse auslösen und mehr Umsatz erzielen als Konzerte und Dichterlesungen.“ (Wiener Kurier 27. Dezember 1966). Die Stadt Linz war in ihrer Präferenz geteilt, Bürgermeisterstellvertreter Franz Hillinger stellte fest: „Auch Sport ist Kultur.“ In Linz würden Trainingsstätten fehlen.

Nach einem langen und holprigen Weg.  Grundsteinlegung 1969 mit Bundespräsident Franz Jonas.
Nach einem langen und holprigen Weg. Grundsteinlegung 1969 mit Bundespräsident Franz Jonas. A. Durchan

Im September 1967 kam es zu einer großen Kampagne der Oberösterreichischen Nachrichten. Chefredakteur Hermann Polz deklarierte den Standpunkt seiner Zeitung am 26. Juli 1967 eindeutig: „In der Frage der Realisierung der Brucknerhalle existiert nur eine Partei, die Partei des Brucknerhauses, in der auch Mitglieder und Exponenten aller politischen Parteien vereinigt sind. … denn Linz und Oberösterreich brauchen das Brucknerhaus.“ Letztendlich übernahmen der Bund 35 Millionen, das Land Oberösterreich sowie die Stadt Linz je 57,5 Millionen Schilling der Gesamtkosten. Dann beschloss der Gemeinderat am 20. Jänner 1969 die Errichtung eines Brucknerhauses um 150 Millionen.

Das war der endgültige Abschluss eines mehr als holprigen Wegs. Es war ein „Kampf“ gewesen, oft wurde die Geschichte des Brucknerhauses die längste und hindernisreichste Baugeschichte im Bundesland genannt. Der Vergleich mit ähnlichen Projekten in großen deutschen Städten zeigt: Es stimmt. Doch noch war 1969 die Kostenexplosion bis zur Eröffnung nicht vorauszusehen.

Das Magazin

Ein Auszug aus dem gemeinsamen Magazin für zwei Jubiläen: 50 Jahre Brucknerhaus, 200 Jahre Anton Bruckner.

Das Magazin ist im Brucknerhaus Linz, im Handel oder unter diepresse.com/geschichte zum Preis von 14 Euro erhältlich.

Dieses Magazin wurde von der „Presse“ in Unabhängigkeit gestaltet. Es ist mit finanzieller Unterstützung der LIVA - Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH möglich geworden.

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