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Kommentar: „Auf den Green Deal muss ein Industry Deal folgen“

Wie lässt sich in der EU die Transformation zu einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Wirtschaft bewerkstelligen? Indem auf den Green Deal ein Industry Deal folgt, sagt Sandra Parthie, Leiterin des Brüsseler IW-Büros und Vorsitzende des Fachausschusses Binnenmarkt des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses.

Kernaussagen in Kürze:
  • „Mit dem Green Deal hat die Europäische Kommission vor fünf Jahren einen gesetzgeberischen Rahmen geschaffen und begonnen, Investitionssignale im Bereich „Clean Tech“ zu setzen“, sagt Sandra Parthie, Leiterin des Brüsseler IW-Büros und Vorsitzende des Fachausschusses Binnenmarkt des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses.
  • Um die Transformation zu einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Wirtschaft zu bewerkstelligen, sei es jetzt notwendig, sich darauf zu konzentrieren, den geschaffenen Regulierungsrahmen umzusetzen und die europäische Wirtschaft zu unterstützen.
  • „Der Green Deal ist die Basis, auf der nun ein Industry Deal aufgesetzt werden muss", sagt Parthie. Dafür sei eine europäische Industriepolitik essenziell, die gemeinsame Ziele definiert, Investitionsanreize setzt, Fördermöglichkeiten schafft und von Synergien profitiert.
Zur detaillierten Fassung

In mindestens acht strategischen Industriesektoren sind europäische Unternehmen international (noch) technologisch führend: Von erneuerbaren Energien (Wind, Solar, Photovoltaik) über Batterie- und Speichertechnologien bis hin zu Wärmepumpen, Elektrolyseuren und Stromnetzen sind europäische Hersteller weltweit spitze.

Es braucht eine Investitionsoffensive, die nicht nur auf ohnehin schwer definierbare Schlüssel- oder Zukunftstechnologien gerichtet ist, sondern vor allem den grenzüberschreitenden Infrastrukturausbau und den europäischen Binnenmarkt fördert.

Mit dem Green Deal hat die Europäische Kommission vor fünf Jahren einen gesetzgeberischen Rahmen geschaffen und begonnen, Investitionssignale im Bereich „Clean Tech“ zu setzen. Sie hat Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien vorgelegt, Energieeffizienzmaßnahmen unter anderem im Gebäudesektor definiert und das System des Emissionshandels auf weitere Industriebereiche jenseits des Energiesektors ausgeweitet.

Diese Investitionen wären auf EU-Ebene nötig

So richtig diese Weichenstellung angesichts des Klimawandels und der notwendigen Transformation unserer Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit ist, so schwierig stellt sie sich in der Umsetzung dar. Umfangreiche Investitionen in neue Maschinen, neue Stromtrassen, neue Verkehrsinfrastruktur, neue Ausbildungsinhalte und vieles weitere mehr sind erforderlich, treffen aber auf ungünstige Rahmenbedingungen: Die Energiepreise für Unternehmen und Haushalte sind hoch, die Inflation macht Materialien und Arbeitskräfte teurer, geopolitische Spannungen haben negativen Einfluss auf bestehende Lieferketten und erschweren den Zugang zu kritischen Rohstoffen. Zudem beanspruchen sicherheits- und verteidigungspolitische Fragen sowie gezielte Desinformationskampagnen die Aufmerksamkeit der Politik.

Um die Transformation zu einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Wirtschaft zu bewerkstelligen, ist es daher jetzt notwendig, sich darauf zu konzentrieren, den geschaffenen Regulierungsrahmen umzusetzen und die europäische Wirtschaft zu unterstützen.

Sandra Parthie ist die Leiterin des IW-Büros in Brüssel; Foto: IW Medien Das wird dann gelingen, wenn sich Politik und Wirtschaft auf die Stärken und die Stärkung der europäischen Industrie fokussieren und eine Investitionsoffensive starten, die nicht nur auf ohnehin schwer definierbare Schlüssel- oder Zukunftstechnologien gerichtet ist, sondern vor allem den grenzüberschreitenden Infrastrukturausbau und den europäischen Binnenmarkt fördert. Das wird nicht gelingen, wenn jeder Mitgliedsstaat seine eigene nationale „Kirchturm“-Industriepolitik verfolgt und, statt europäische Regeln einheitlich umzusetzen, zusätzliche und unterschiedliche nationale Sonderregelungen erlässt.

Essenziell ist eine europäische Industriepolitik, die gemeinsame Ziele definiert, Investitionsanreize setzt, Fördermöglichkeiten schafft und von Synergien profitiert, um gegenüber amerikanischen und chinesischen Wettbewerbern bestehen zu können – insbesondere, wenn diese massiv staatlich subventioniert werden.

Das bringt ein funktionierender EU-Binnenmarkt

Zusätzlich braucht es einen funktionierenden EU-Binnenmarkt, über den auch kleine und mittelständische Unternehmen Skaleneffekte nutzen können, über den sie ihre Absatzmöglichkeiten erhöhen und auf dem einheitliche Regeln gelten, die auch gegenüber Drittstaaten mittels strikter Überwachung des Marktzugangs durchgesetzt werden. Denn nur so können europäische Unternehmen wachsen und damit den Wohlstand in der EU sichern.

Diese Zielsetzungen sollten die wirtschaftspolitische Agenda der EU in den nächsten Jahren definieren. Der Green Deal ist die Basis, auf der nun ein Industry Deal aufgesetzt werden muss.

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