Marion, Daniel und Ben: Die Enkel des legendären Filmemachers G. W. Pabst begeben sich auf die Spuren der Familiengeschichte.
Max Berner

"G. W." nennen ihn die Enkelkinder, die ihren Großvater nicht mehr erlebten – war Georg Wilhelm Pabst doch älter als seine Ehefrau Trude, die er Mitte der 1920er-Jahre in Berlin kennenlernte und kurz darauf heiratete. Es war eine große Liebe. Das entnimmt man den von Maresi Riegner und Ernst A. Grandits vorgelesenen, bislang unveröffentlichten Briefen der beiden aneinander. Aber es war auch eine komplizierte Ehe, die ihre Schockmomente bereithält. Davon erzählt die virtuose Dokumentation Pandoras Vermächtnis von Angela Christlieb.

In die Erzählposition gerückt sind die Enkelkinder des Pabst-Clans: Daniel, Kunstsammler und Komponist, und Marion, Schmetterlingszüchterin und radikale Umweltaktivistin, leben in Wien. Ben ist Dinosaurierforscher in Zürich. Letzteres ist ein eigentümlicher Zufall, denn auch Pabsts Filme erforschten gerne die Untiefen der Vergangenheit und der Seele. In Geheimnisvolle Tiefe von 1949 etwa zerbricht eine Beziehung am exzessiven Forschungsdrang des Verlobten – ein Beziehungsdrama, das in Pandoras Vermächtnis als Schablone für die Ehe von G. W. und Trude dient. Auch, aber nicht nur, weil Trude das Drehbuch zu dem Film geschrieben hat.

Vatertrauma und Spiritualität

Regisseurin Christlieb gelingt es spielerisch, Themen und Figuren aus Pabst-Filmen mit ihrer Filmerzählung zu verschmelzen. Da geht es beispielsweise um Pabsts Vorliebe für große Stummfilmdiven wie Brigitte Helm, Louise Brooks oder Greta Garbo, während er die Schauspielambitionen seiner hübschen Ehefrau im Keim erstickte. Er präferierte sie im Hintergrund als unsichtbare Gehilfin. In einem einzigen Film ist Trude auf der Leinwand zu sehen: In Herrin von Atlantis durfte sie in einer kleinen Nebenrolle eine englische Journalistin spielen.

Kurz nach der Hochzeit 1924 kam schon der erste Sohn, Peter Pabst, zur Welt. Er wurde als Jugendlicher im Zweiten Weltkrieg verheizt, trug Brandwunden davon und war zeitlebens als Regieassistent für seinen Vater tätig. Dieser war, das erfährt man schnell, ein kontrollierender Patriarch. Das Kind war ihm nicht recht, weitere sollten nicht kommen, weshalb er erschreckende Maßnahmen setzte, um es zu verhindern. Eines kam dann doch noch. 1941 wurde Michael Pabst geboren, der Vater von Daniel und Marion. Auch er hatte mit dem Vatertrauma zu kämpfen und gab die Aufarbeitungsaufgabe schlussendlich an seinen eigenen Sohn weiter.

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Zugleich wird auch von Trude das Bild einer abweisenden, kühlen Mutter und Großmutter gezeichnet. Einzig Marion hatte einen Draht zu ihr. Ihrer kleinen Enkelin erzählte sie als Witwe, nachdem sie sich längst in eine zweite Realität geflüchtet hatte, von ihren spirituellen Reisen – und von Leni Riefenstahl, die zeitlebens eine gute Freundin des Ehepaars Pabst blieb.

Pandoras Vermächtnis erzählt auf eine kinematografisch und psychologisch fesselnde Art und Weise von einer Familie, die vom Talent ihres Großvaters fasziniert, von seinem egozentrischen Wesen jedoch abgestoßen ist. Letzteres war dann doch die Ursache für zu viel Leid, das sich im Leben der Söhne fortgeschrieben hat. Die Enkelgeneration ergreift die Chance, Pandoras Box wieder zu schließen: wird man doch Zeuge von drei Menschen, die liebevoll, neugierig und reflektiert von der faszinierenden Film- und Familiengeschichte ihrer Großeltern erzählen. (Valerie Dirk, 13.5.2025)