Review | 1×02 | Die andere Saite des Teufels (The Devil’s Chord)

Doctor Who

“Die andere Saite des Teufels”
“The Devil’s Chord”


Erstausstrahlung: 11. Mai 2024

Drehbuch: Russell T Davies 
Regie: Ben Chessell
Produktion: Russell T Davies, Julie Gardner, Jane Tranter,
Joel Collins, Phil Collinson & Chris May

Der Doktor: Ncuti Gatwa
Ruby Sunday: Millie Gibson


Der Doktor und Ruby treffen auf die Beatles und entdecken, dass der allmächtige Maestro die Geschichte verändert. London wird zu einem Schlachtfeld, auf dem die Zukunft der Menschheit auf dem Spiel steht.


Da die ersten beiden Folgen dieser Staffel im Doppelpack veröffentlicht wurden, gibt es nach dem unterdurchschnittlichen Staffelauftakt gleich die nächste Folge. Und von dieser hat man im Vorfeld gefühlt viel mehr mitbekommen als vom Rest der Staffel. Die Bilder von Ncuti Gatwa und Millie Gibson in ihren 60er Jahre Outfits, der große Bösewicht “Maestro” und auch der Auftritt der Beatles wurden sehr stark beworben und geteilt. Erstaunlich, dass gerade letztere in der Episode kaum eine Rolle spielen…

Eine absolut nachvollziehbare Reaktion…

Showrunner Russell T. Davies verkündete bereits im Vorfeld, dass die Idee zur Episode entstanden sei, weil es finanziell unmöglich gewesen sei, auch nur einen einzigen Beatles-Song zu lizenzieren. Also machen wir eben eine Beatles-Folge ohne Beatles-Musik (und mit Beatles, die nicht wie die Beatles aussehen). Und genau genommen brauchen wir für die insgesamt 3 Minuten Screentime auch nur zwei der Bandmitglieder! Ringo und George? Braucht kein Mensch! Das schien zumindest der Gedanke zu sein. Der Auftritt der Beatles, auch wenn dabei eine der besten Szenen der ganzen Episode herauskommt, ist absolut vergessenswert und die Tatsache, dass dies somit auf ewig DIE Beatles-Episode von Doctor Who bleiben wird, stimmt den geneigten Fan der Band dann doch etwas traurig.

Die schlechten Beatles-Cosplayer.

Dabei fing die Episode wirklich vielversprechend an. Die Einführung des Maestros, der sich nach den verborgenen Meisterwerken der Musik sehnt und sich von ihnen ernährt, sowie als Ruby dem Doktor erzählt, dass sie als erstes eigenes Abenteuer unbedingt die Entstehung des ersten Beatles-Albums sehen möchte, die beiden sich in einer wirklich schönen Szene in 60er-Jahre-Klamotten werfen und dann ungläubig mit ansehen müssen, wie alles musikalische Talent von diesem Planeten verschwunden zu sein scheint, sind ein wirklich starker und spannender Auftakt für diese Geschichte. Und die anschließende Szene, in der Doktor und Ruby mit John Lennon und Paul McCartney in der Kantine sitzen und sich über ihr Verhältnis zur Musik unterhalten, ist wohl die einzige, in der Autor Russell T Davies irgendwie einen Bezug zum Thema herstellen konnte. Denn abgesehen von diversen eingestreuten Begriffen wie “Teufelsakkord”, die einfach nur cool klingen, merkt man, dass nicht viel Substanz dahinter steckt. RTD ist eben dann am besten, wenn er über etwas schreibt, was er kennt (und mag) – und fällt dann ganz schnell auseinander, wenn er einfach nur ein Thema bedienen will.

Scheißt auf physikalische Gesetze: Der Maestro.

Nachdem sich die Beatles angewidert von der Szenerie verabschiedet haben, fällt auch die Folge massiv ab – und das, obwohl der nun prominent auftretende Antagonist durchaus Unterhaltungswert bietet. Der Maestro ist laut, over-the-top, durchgeknallt und schlichtweg psychopathisch. Aber ab und zu darf ein Gegner des Doktors auch mal so sein. Und wenn man es schon mit der buchstäblich göttlichen Personifizierung der Musik zu tun hat, dann darf es auch extravagant sein. Die Szenen, in denen der Maestro den Doktor und Ruby verfolgt, nachdem diese über den Dächern Londons ein trauriges Klavierstück gespielt hat (nicht ohne darauf hinzuweisen, dass zur gleichen Zeit in unmittelbarer Nähe der erste Doktor und Susan auf einem Schrottplatz in der Totters Lane ein vorübergehendes Zuhause gefunden haben), gehören auch schauspielerisch und inszenatorisch zu den stärksten dieser Episode. Wenn der Doktor mit seinem Schall-Schraubenzieher die gesamte Umgebung zum Schweigen bringt und der Maestro amüsiert und wütend nach einem Weg sucht, die beiden Störenfriede doch noch zu finden, dann kann man gar nicht anders, als die ganze Szene mit Spannung zu verfolgen. Leider wird diese Atmosphäre von einem der größten Negativpunkte durchbrochen … denn inspiriert von Rubys Klavierspiel setzt sich eine kleine, liebe Oma an ihr Klavier und wird kurz darauf vom Maestro mit fliegenden Notenlinien als Waffe niedergemetzelt.

Subtil geht anders…

Und genau hier fällt die Episode komplett auseinander. Die Idee, die Umsetzung, das Spiel mit Soundtrack und Story, ist stellenweise wirklich gut, aber dann schlägt entweder der Wahn des Autors durch, oder man traut dem Zuschauer keine subtile Herangehensweise zu, oder man ist einfach nicht in der Lage, spannendere Wege zu finden, die Dinge darzustellen. Wie großartig wäre es, wenn das Geschehen buchstäblich durch die Musik dargestellt würde? Wenn das Zusammenspiel von Soundtrack, Kamera, Regie und Drehbuch allein die Geschichte transportieren würde, ohne auf visuelle Tricks wie fliegende Notenlinien-Waffen oder wörtliche Erklärungen von Situationen (wie wenn der Maestro “MUSIC BATTLE!” in die Kamera schreit) zurückgreifen zu müssen. Da fragt man sich, was ein Steven Moffat, zu Zeiten, als er so subtile Meisterwerke wie “Die Angst des Doktors” schrieb, aus so einem Drehbuch gemacht hätte. Und apropos ” Music Battle ” – das besteht nur aus dem Doktor (und Ruby) am Klavier und dem Maestro an der Geige, die sich wahllos irgendwelche Musikschnipsel zuspielen. Das hat nichts Besonderes, das steigert sich auch nicht, das wirkt einfach wie zwei Gestalten beim Scheunenfest, die sich gegenseitig in ihrer Mittelmäßigkeit anstacheln. Dabei hätte ein viel besseres Finale schon in den Seiten des Drehbuchs geschlummert! Gleich zu Beginn wird klargemacht, dass in den Beatles (zumindest in John und Paul) die Leidenschaft zur Musik schlummert, die sie aber aufgrund des Einflusses des Maestros nicht ausleben (können). Wie großartig wäre es gewesen, wenn die Beatles im Finale gegen den Maestro angetreten wären, wenn die Beatles überzeugt werden müssten, auf ihr Innerstes zu hören und so zu ihrer Stärke finden könnten, um schließlich den Fluch des Maestros zu brechen? Wenn die fucking Beatles, in der fucking Beatles Episode von Doctor Who, auch zur fucking Handlung beigetragen hätten? Am Ende retten sie zwar den Tag, aber nur zufällig und beiläufig, indem sie zu Ende bringen, was der Doktor bereits begonnen hatte.

Singing in the rain… on the Abbey Road!

Obwohl die Episode inhaltlich besser ist als der Staffelauftakt zuvor, ist die Enttäuschung über das verschenkte Potential deutlich größer. Man hat die Beatles (oder zumindest schlechte Cosplayer von ihnen) und macht nichts daraus. Man hat einen Gott der Musik und lässt ihn Geige spielen und Notenlinien als Lassos benutzen, man hat ein so tolles und schönes Setting und lässt es durch visuelles Unvermögen untergehen. Und wie weit die Macher vom eigentlichen Inhalt der Episode entfernt sind, zeigt sich dann am Ende, wenn man sich tatsächlich noch traut, eine reine Musicalnummer einzubauen, die stilistisch völlig losgelöst von der vorherigen Episode ist. Ja, es war eine Folge, die Musik zum Thema hatte, aber das heißt noch lange nicht, dass man auch eine Musicalnummer einbauen kann. Das hat vorne und hinten nicht gepasst. Es sieht so aus, als ob man viele coole Szenen haben wollte, die man auch gut für Reels im Internet verwenden kann, anstatt dass sie zusammen einen Sinn ergeben – und einzeln und für sich genommen gibt es auch viele schöne Szenen, aber sie ergeben kein Ganzes.


Fazit

Eine echte Enttäuschung, wenn man bedenkt, welche Ambitionen die Macher offensichtlich mit dieser Episode verbunden haben. Es funktioniert fast nichts. Abgesehen von ein paar netten Szenen und dem immer noch großartigen Zusammenspiel zwischen dem Doktor und seiner Begleiterin (die hier wirklich wie beste Freunde wirken, die einfach nur ein Abenteuer erleben wollen), zerreißt es die Episode genau dort, wo eigentlich ihre Stärken liegen sollten: bei der Musik. Selbst Murray Gold, der Komponist von Doctor Who, kann die Inszenierung mit seiner musikalischen Untermalung nicht retten. Unterm Strich bleibt, dass hier mit einem gut aufgelegten Antagonisten, einer tollen Prämisse und dem Auftritt musikalischer Ikonen nur Durchschnitt herauskommt, wenn man entweder unfähig ist, mit der Materie sinnvoll umzugehen, oder nicht den Anspruch hat, etwas abzuliefern, das irgendwie Substanz hat.


Bewertung: 2,5 von 5 TARDISse


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André McFly
Gründer & Chefredakteur
Ich bin seit über 10 Jahren Doctor Who Fan und hatte 2013 die Idee für eine deutsche Doctor Who Reviewseite. Über die Jahre hat sich der Whoview allerdings zu mehr als nur einer Reviewseite entwickelt und so schreibe ich heute vor allem News und Rezensionen. Ich bin auch jährlich auf der Timelash als Presse zu Gast und veröffentliche meine Eindrücke hier auf der Seite. Fernab von Doctor Who betreibe ich mehrere Podcasts, mache Musik und versuche mich als Autor.
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André McFly

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