Golda Rosheuvel ist als Queen Charlotte in der dritten Staffel von
Golda Rosheuvel ist als Queen Charlotte in der dritten Staffel von "Bridgerton" wieder dabei.
Liam Daniel/Netflix

Heraus aus dem Schatten heißt die erste Folge, und sogleich sind wir mitten drinnen im Scheinwerferlicht: Pferdegetrappel, Kutschenfahrt, grüne Parkanlagen, Männer in weißen Stutzen und Zylinder, einander zuflüsternde Damen. Was wird getuschelt? Lady Whistledown soll es wieder getan haben, und tatsächlich: "Hochverehrte Leserschaft! Wir waren viel zu lange voneinander getrennt." Hört, hört! "Endlich ist die feine Gesellschaft nach London zurückgekehrt, und mit ihr diese Autorin." Vortrefflich formuliert! Bridgerton ist wieder da. Seit Donnerstag sind vier neue Folgen abrufbar, weitere folgen.

Mehr als zwei Jahre sind seit der letzten Staffel vergangen. Streaming verhält sich in der Jahreszählung mindestens wie Hundejahre, das heißt, ein Jahr entspricht sieben, gefühlt ist das mindestens eine halbe Ewigkeit. Die Wartezeit wurde mit dem Ableger Queen Charlotte verkürzt, doch es war nicht dasselbe.

Serienschund oder mehr?

Jedenfalls ist die Ballsaison eröffnet, und die geneigte Seherschaft immer noch unentschlossen, ob es sich bei Bridgerton um den klischeehaftesten Serienschund aller Zeiten handelt oder ob nicht doch mehr dahintersteckt. Bridgerton feiert die Farben, die Liebe, die Vielfalt und hatte zumindest in der ersten Staffel viel Erotik zu bieten. Dafür verantwortlich ist Shonda Rhimes, Erfinderin von Grey's Anatomy, die mit ihrer Praktik des Colorblind Casting für einen Diversitätsschub quer durch alle Plattformen sorgte. Kein Film, keine Serie kann und will sich heute noch einen rein weißen Cast erlauben. Das Verfahren der kreativen Besetzung von Rollen kommt auch in der dritten Staffel zur Anwendung, und das ist gut so. Ebenso fröhlich feierte das erste Paar seine Liebe in dutzenden erotischen Szenen, was im Zusammenhang mit dem für gewöhnlich im Fernsehen bis dahin eher prüden Historiengenre ebenfalls als positiv zu bewerten ist.

Nichtsdestotrotz schmerzt die völlige Fixiertheit auf die gelingende, und ja, meistens doch heterosexuelle Zweierbeziehung. Die zweite Staffel hatte viel vom Anfangsschwung und -mut verloren und beschränkte sich mehrheitlich aufs Schmachten und Schmusen.

Ein Geschäft ist die Serie offenbar immer noch. Zahlreiche Collabs bieten Produkte im Bridgerton-Stil an: Die Kosmetikkette Lush etwa wartet mit einer eigenen Bridgerton-Edition auf, ein Eisgeschäft in Wien präsentiert sich im Stil der Serie, es gibt Teppiche im Bridgerton-Stil zu kaufen, einen Picknickkorb um 349,95 (!) US-Dollar, Teesorten, Marmeladen, Schaumbäder und Cremen.

Doch der ganz große Hype ist vorbei. Umso spannender die Frage:

Bridgerton Season 3 | Official Clip | Netflix
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Was bringt die dritte Staffel?

Wir haben die erste Folge gesehen. Es folgen: Spoiler!

Was bringt also die neue Staffel? Francesca, die nächste Bridgerton (Hannah Dodd), aber hallo! Sie ist flink am Klavier, in der Suche nach dem rechten Bräutigam hat sie es nicht ganz so trabig. Mit Handkuss wird Bruder Colin (Luke Newton) empfangen, auf den natürlich in der Sekunde auch gleich alle Ladys wieder gamsig sind, Pardon, heute sagt man horny, es ist aber dasselbe. Der sexy Duke wechselt, und das ist ziemlich eines der ersten Bilder, in der Galoppi-Kutsche das Oberteil, wodurch die p.t. Seherschaft gleich einen Eindruck erhält, womit wir es hier zu tun haben: Stark ist er auch noch! Aber ist er auch klug? Das bleibt vorerst offen.

Weiter geht's im Sauseschritt. Schließlich steht schon der nächste Ball an. Die Debütantinnen knicksen vor Queen Charlotte, die trägt wieder absurd überhöhte Perücken und schaut finster. Die Debütantinnen werden begleitet von stolzen Müttern, der Queen schläft hingegen das Gesicht ein, so gelangweilt ist sie vom Dargebotenen. Bis Francesca erscheint, erst dann wird die Queen wieder munter – aber nur kurz. Das war wohl nichts.

Eingebildeter Colin Bridgerton

Colin wiederum ist eine rechte Enttäuschung. Er sei zurückgekommen, aber nicht, um zu heiraten, sagt er, hält sich gleichzeitig ein Hintertürl offen, weil wenn er eines auf seinen Reisen gelernt habe, dann sei es, "stets das Unerwartete zu erwarten". Gähn. Wer von diesem Mann zum Altar geführt werden will, ist selber schuld. Das eingebildete Auftreten wird auch Penelope Featherington (Nicola Coughlan) nicht gefallen, die seit der ersten Staffel ein Auge auf den Feschak geworfen hat. Wo ist eigentlich Lady Violet mit den spitzen Kommentaren? Moment, das war eine andere Serie, aber ja, die adelige Giftspritze aus Downton Abbey würde gut hierherpassen, zumal Humor nicht unbedingt die Stärke dieser Folge ist. Aber sie ist nicht hier.

Woher kommt also die düstere Stimmung der Penelope Featherington? Das hängt mit Eloise zusammen, mit ihr hat sie sich – wir erinnern uns – irgendwie zerstritten. Mutter und die affigen Featherington-Schwestern gehen Penelope ebenfalls sehr am Wecker, weshalb sie den in dieser Serie einzig logischen Beschluss fasst: "Ich muss einen Mann finden. Es wird Zeit." Fort deshalb die Quietschfarben. Keine gute Idee.

Eloise liest nicht mehr

Okay, Eloise (Claudia Jessie). Auch sie hat ihre Challenge. Bis dahin so etwas wie die Feministin der Serie, weil sie Bücher liest. Aus Gram über den Penelope-Streit hat sie sich von der Emanzipation abgewandt und trägt Rüschenblusen, weil es so Mode ist, liest seichte Bücher über Freundschaft und hat mit der komischen Cressida eine oberflächliche Freundschaft. So darf es nicht enden!

26 Minuten nach dem Beginn ist die Welt von Bridgerton wieder in Ordnung, endlich wälzen sich zwei im Bett. Es sind der junge Lord und die junge Lady Bridgerton und natürlich für einen guten Zweck: einen Erben zeugen.

Endlich im Ballroom

Eine weitere Minute später folgt endlich der erste Ball. Ohrringe, feines Geschmeide, perlende Getränke, glitzernde Gewänder, Rokoko-Tänzchen, der Blumenschmuck. Nur die Queen schaut immer noch angespeist, gut, das ist ihre Masche. Für den Skandal des Abends sorgt aber Penelope, weil ihr Ballkleid zwar blinker-blinkert, jedoch von tannengrüner Farbe eigentlich schön, in der Ansicht ihrer Angehörigen aber abgrundtief schiach ist. Die männlichen Ballgäste sind anderer Meinung, Penelope zieht Interessenten an, weil sie sich aber als lesende Frau zu erkennen gibt, steht sie bald wieder allein da. Alle Bücher der Welt helfen nicht, als der freundliche Sir Debling vor ihr steht. Pen stottert, es ist eine Blamage.

Was war noch? Die gute Francesca mag sich an dem Affenzirkus nicht erfreuen und wird genau deshalb von der Queen entdeckt. Eloise hat ein ernstes Gespräch mit ihrer Cressida, die sich Penelope gegenüber garstig verhalten hat. Sie ist aber gar nicht so. Irgendwie ungut fühlt sich an, was zwischen Colin und Penelope weiter abläuft. Die beiden gehören doch zusammen, stattdessen erteilt ER ihr Charmeunterricht, am Ende und hier überspringen wir ein paar Szenen, liegen die beiden einander in den Armen. A Kiss Is a Kiss.

Fazit: Die Serie geht mit Schwung und Body-Positivity ans Werk und bleibt trotzdem, was sie immer war: eine romantische, mäßig originalle Soap-Opera in historischen Gewändern. Wir bleiben dran. (Doris Priesching, 16.5.2024)