Politiker und Reformator: Landgraf Philipp von Hessen

Bild

Landgraf Philipp von Hessen (ohne Datierung), Signatur: LutherMuseen 4° XLVIII MH 3962

Etwa heute vor 500 Jahren …

… traf Landgraf Philipp von Hessen in der Nähe von Frankfurt am Main zufällig auf Philipp Melanchthon. Diese Begegnung stellte den Beginn für einen jahrelangen Austausch mit den Wittenberger Reformatoren dar und sollte für die Hinwendung des Landgrafen zu den reformatorischen Ideen folgewichtig sein.

 

Gegensätze

Die beiden Männer, die im Mai 1524 aufeinander trafen waren sehr gegensätzlich: Auf der einen Seite stand der Gelehrte Melanchthon, etwas unsicher im Sattel seines gemieteten Pferdes. Er befand sich auf dem Rückweg nach Wittenberg von einem Besuch in seiner Heimat Bretten. Auf der anderen Seite war der Landgraf von Hessen, der mit einem großen Gefolge hoch zu Ross in Richtung des Heidelberger Hofes unterwegs war. Die innere Einstellung der beiden lag ebenfalls (noch) weit auseinander. Während Melanchthon bereits als feste Größe unter den Reformatoren bekannt war, befand sich der Landgraf von Hessen gerade in einer Zeit des Umbruchs und musste sich selbst noch mit den neuen Glaubensideen auseinandersetzen. Den Anlass dafür bot eine für November angesetzte (und kurz vor Beginn wieder abgesagte) Reichstagsversammlung zur Klärung der Religionsfrage. Bis dahin musste sich also Philipp von Hessen eine Meinung gebildet haben.

 

Eine folgenschwere Begegnung

Nach der zufälligen Begegnung bei Frankfurt wandte sich der Landgraf immer häufiger in Briefen mit zahlreichen Fragen zur evangelischen Lehrmeinung an Melanchthon. Dies zeugt von einem intensiven Bibelstudium Philipps von Hessen, mit dem er sich – ganz im Sinne Luthers – eine eigene Meinung bildete. 

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Landgraf seine Herrschaft 1522/23 gefestigt und sich als Reichsfürst durchgesetzt. 1523 heiratete er Christine von Sachsen. Deren Vater, Herzog Georg der Bärtige, war bis zu seinem Lebensende 1539 ein erbitterter Gegner der Reformation. Schon in dieser verhältnismäßig frühen Phase der Reformation hielten sich Luther-Anhänger am Hof des Landgrafen in Kassel auf. Vermutlich hatten sie schon vor dem Zusammentreffen mit Melanchthon Einfluss auf Philipp von Hessen genommen. Dass sich der Landgraf schlussendlich für die reformatorischen Neuerungen entschied, war ein besonders eindrücklicher Schritt.  Er war einer der ersten Fürsten, die sich bewusst von der katholischen Kirche abwandten und auf die Seite Luthers stellten.

 

Die Reformation in Hessen

Ab 1526 setzte der Landgraf reformatorische Änderungen in Hessen durch. Dazu verfasste er eine Kirchenordnung, die „Reformatio Ecclesiarum Hassiae“, die er an Martin Luther schickte, um dessen Meinung einzuholen. Grundsätzlich beinhaltete die hessische Kirchenordnung viele Möglichkeiten der Gemeindebeteiligung, beispielsweise ein jährliches Treffen von gewählten Gemeindevertretern. In der Leisniger Kastenordnung von 1523 erachtete Luther genau diesen Punkt als besonders wichtig. Der Bauernkrieg führte jedoch zu einer Meinungsänderung bei dem Reformator, sodass er die hessische Kirchenordnung ablehnte. Hielt sich Philipp von Hessen zunächst noch an die Vorgaben Luthers, so änderte sich dies bereits im Jahr darauf.

Mit der Gründung der Marburger Universität 1527 ging der Landgraf zunehmend eigene Wege und führte nun die Reformation nach seinen eigenen Vorstellungen in Hessen ein. Er nutzte den Moment, um die Städte und den Adel in seiner Landgrafschaft Hessen stärker an sich zu binden. So löste er beispielsweise zwei Klöster auf, zog deren Besitz ein und richtete auf dieser finanziellen Grundlage ein Ritterstift ein. Dort konnten die unverheirateten Adelstöchter versorgt werden und eine angemessene Position finden. Adligen Familien gab er ihre vor der Reformation gestifteten Güter zurück und konnte damit eine Art Ausgleichszahlung schaffen, ohne seine eigenen Finanzen zu belasten. Städte erhielten ihre Befugnisse und Güter zurück, die vormals in kirchlicher Hand waren. Die Belastung der bäuerlichen Bevölkerung ging durch eine Reduktion der Abgaben zurück. Auch wenn es dennoch immer wieder zu Gegenwehr gegen die Einführung der Reformation kam, gelang es Philipp von Hessen dennoch, den überwiegenden Teil seiner Untertanen in diesem Prozess mitzunehmen.

 

Die politische Führungsfigur?

Die zunehmende Abweichung zwischen Philipp von Hessen und Martin Luther drückte sich insbesondere 1529/30 in der Frage aus, ob sich die Politik dem Glauben oder andersherum der Glaube der Politik unterordnen sollte. Letztlich ging es dabei um die politische Zielsetzung des Landgrafen und ob diese sich mit der von Luther geforderten Oberhoheit des Glaubens überein bringen ließ. Dass diese Frage unweigerlich Auswirkungen auf einer praktisch-politischen Ebene hatte, zeigte sich in den Bestrebungen um ein Bündnis der reformierten Seite. Während Luther dies nur bei vollkommener Einigkeit im reformierten Bekenntnis akzeptieren wollte, drängte Philipp von Hessen auf ein protestantisches Bündnis, das sich zugleich gegen die mächtigen Habsburger und damit auch gegen den Kaiser zusammenschloss. Schließlich setzte sich der Hesse mit der Gründung des Schmalkaldischen Bundes 1531 durch und errang dadurch eine starke machtpolitische Position. Philipp von Hessen wurde nun als die politische Führungsfigur der Reformation gesehen. In den folgenden Jahren verbesserte sich das Verhältnis zwischen Luther und Philipp von Hessen, bevor es 1540 im Kontext um die umstrittene Doppelehe des Landgrafen wieder konfliktbelastet wurde. Die oft vorgestellte Parallelität von Martin Luther als geistiger und Philipp von Hessen als politischer Führungsfigur, die gemeinsam die Reformation vorantrieben, gab es also in diesem Sinne nicht.

 

Letztlich war das Treffen mit Philipp Melanchthon also ein wichtiger Baustein auf dem Weg des Landgrafen von Hessen zur Reformation. Er sandte viele Briefe mit Glaubensfragen nach Wittenberg, die von Melanchthon geduldig beantwortet wurden. Allerdings war der Kontakt zwischen Martin Luther und Landgraf Philipp von Hessen stets enger, die Aushandlungsprozesse um bestimmte Glaubensfragen fanden zwischen diesen beiden Persönlichkeiten statt.