Joan Baez: I Am a Noise Doku Review auf CMN

Joan Baez: I Am a Noise

Joan Baez: I Am a Noise

"Joan Baez I Am a Noise" ist ein amerikanischer Dokumentarfilm aus dem Jahr 2023 über die Liedermacherin und Aktivistin Joan Baez. Unter der Regie von Miri Navasky, Karen O'Connor und Maeve O'Boyle verwendet der Film bisher unveröffentlichte Heimvideos, Kunstwerke, Tagebücher, Therapiebänder und Audioaufnahmen von Baez. "Joan Baez I Am a Noise" hatte seine Weltpremiere bei den 73. Internationalen Filmfestspielen Berlin am 17. Februar 2023.

 

"Joan Baez: I am a Noise" - Das Porträt einer großen Musikerin und Aktivistin

Auf der Berlinale 2023 stellte Joan Baez das Filmporträt, dass die Regisseurinnen Karen O'Connor und Maeve O'Boyle über sie anfertigten, persönlich vor und gab dem Premierenpublikum sogar eine kleine Gesangseinlage.

Eine Sternstunde für jeden Fan dieser inzwischen legendären US-Musikerin, die sich schon zu Beginn ihrer Karriere ebenfalls als Bürgerrechtlerin und Pazifistin hervorgetan hat. Im Januar feierte die Queen of Folk ihren 83 Geburtstag, doch schon in den ersten Minuten des Films beweist sie mit sportlichen Übungen, wie vital sie doch für ihr Alter noch ist.

Ganz am Anfang hört man aber ihren Gesang als junge Frau zu alten Schwarzweißaufnahmen während eines Konzerts. Sie singt über Freiheit und dem Herrn, also Gott. Dazu eingeblendet werden die Worte des kolumbianischen Autors Gabriel García Márquez: "Jeder hat drei Leben: Das öffentliches, das private und das geheime." Die öffentliche Joan Baez kennt jeder, Privates hat sie auch schon geteilt. Also bleiben wohl nur die Geheimnisse, die sie in "Joan Baez: I am a Noise" offenbaren sollte.

Martin Luther King und die erste Gitarre

Die Einführung dauert gerade mal neun Minuten, um dann ganz an den Anfang im Leben von Joan Baez zu gehen. Zu Fotografien und Filmaufnahmen aus jener Zeit erzählt sie über ihr christlich geprägtes Elternhaus. Eine glückliche Kindheit? Doch sie ist ein sensibles Kind, sorgt sich um die Menschheit und entwickelt psychische Störungen.

Mit 16 begibt sie sich erstmals in Therapie, was in den Fünfzigerjahren noch recht ungewöhnlich war. Einen Ausweg findet sie als sie 1956 eine Rede von Martin Luther King hörte. Im gleichen Jahr schenkten ihr ihre Eltern eine Gitarre. Drei Jahre später trat sie erstmals im Club 47 auf, eine Hochburg für Folk. Der Beginn einer unvergleichlichen Karriere.

Doch auch darüber grübelt Baez, als sich ihre Schwester zurückzieht, weil sie sich zu sehr im Schatten von Joan Baez fühlt. Joan selbst überkommen Schuldgefühle. Sie habe nun das, was sie nie haben wollte: Ruhm und Reichtum. Aber dann lernt sie den gleichaltrigen Bob Dylan kennen, verliebt sich in ihn und entzweit sich wieder von ihm. Zweierbeziehungen liegen ihr nicht, lieber ist sie mit 2.000 Menschen in einer Konzerthalle zusammen. Die Musik wird ihr Lebenselixier, und sie nutzt ihre Berühmtheit, um gewaltlos gegen Rassismus und Vietnamkrieg zu protestieren.

"Joan Baez: I am a Noise" - Mehr als nur ein Geräusch

Tatsächlich gelingt es in diesem filmischen Denkmal, fast alle Seiten von Joan Baez zu beleuchten. Man ist erstaunt über die vielen Facetten dieser Powerfrau, die weitaus mehr ist als nur ein Geräusch, wie es der Filmtitel wohl eher selbstironisch aussagt. Während ihrer Abschiedstournee ehrlich auf ihr Leben zurückblickt, schmerzliche Momente genauso kommentiert wie die glücklichen. Depressionen, Panikattacken gibt sie genauso zu wie die Sorge ums Älterwerden.

Zwar gehen die Regisseurinnen schon einen chronologischen Weg, um die wichtigsten Stationen im Leben ihrer Protagonistin abzufahren, aber das erfolgt besonders elegant, weil dazwischen immer wieder die Joan Baez von heute das Wort ergreifen darf und man sie dabei im Alltag und bei ihren Aktionen beobachten darf. Aufgelockert wird das Ganze zudem mit Notizen aus frühen Tagebucheintragungen und Zeichnungen, die in kleinen verspielten Animationen lebendig werden. Sollen damit womöglich die letzten Geheimnisse gelüftet werden, indem nochmals ihr frühes Seelenleid unter die Lupe genommen wird? Gewiss lässt Joan Baez in dieser Dokumentation tief und schonungslos in ihr Leben blicken, doch glücklicherweise wächst dadurch das Mysterium um sie noch. Wie hat sie es nur geschafft, ein solcher charismatischer Mensch zu werden? Am Ende des Films empfindet man nur Sympathie und Hochachtung für Joan Baez.

Joan Baez und die Country Music

Ihre Sopranstimme ist unverwechselbar. Schon in den ersten Sekunden weiß man, hier singt Joan Baez. In den frühen Siebzigerjahren veredelte sie mit Titelsongs die Soundtracks zweier Filme. Für Ennio Morricone sang sie "Here's to You" für das Justizdrama "Sacco und Vanzetti", und das ökologische Thema des Science-Fiction-Films "Silent Running - Lautlos im Weltraum" gefiel ihr so gut, dass sie die Lieder "Rejoice in the Sun" beisteuerte.

Die Sängerin und Songschreiberin wird zwar gern der amerikanischen Folk Music zugeordnet, aber ebenso wurde sie durch Blues und vor allem durch die Country Music inspiriert. 1968 heiratete sie den Journalisten und Aktivisten David Harris, ein großer Country-Fan, der seine Frau noch zusätzlich beeinflusste, als sie ihre anschließenden Studioalben "David's Album" und "One Day at a Time" veröffentlichte. Auf "One Day at a Time" ist auch ihr selbst verfasster Song "Sweet Sir Galahad"" vertreten, den sie erstmals 1969 auf dem legendären Woodstock-Festival vorstellte.

Ihre Musikkarriere wird in der Dokumentation zwar auch thematisiert, ordnet sich aber jeweils auf den Stationen ihres Lebens ein. So sehen wir Joan Baez mal singend als junge Frau mit langen dunklen Haaren und als ältere Frau mit kurzen grauen Haaren - und immer ist sie schön anzusehen.

Fazit: "Joan Baez: I Am a Noise" ist ein längst überfälliges Porträt über Joan Baez, dass uns diese ungewöhnliche Frau nach einer über 50 Jahren andauernden Karriere so nahe wie nie zuvor bringt. Rundum gelungen, sodass man Joan Baez am Filmende wie eine vertraute Freundin empfindet.

vgw