Bayern Landesausstellung Freising: Tassilo wurde beinahe Bayerns erster König - aber was hat er mit Problembär Bruno zu tun?
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Tassilo wurde beinahe Bayerns erster König – aber was hat er mit Problembär Bruno zu tun?

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Blickfang der neuen bayerischen Landesausstellung in Freising: Problembär Bruno neben Bischof Korbinian.
Blickfang der neuen bayerischen Landesausstellung in Freising: Problembär Bruno neben Bischof Korbinian. © Rainer Lehmann

Wie muss man sich Bayern vor 1300 Jahren vorstellen? Finsterstes Mittelalter? Das nicht – eher im Gegenteil: In Freising wird ab Dienstag (7. Mai) erzählt, dass ein bayerischer Herzog schon damals beinahe König geworden wäre. Er scheiterte. Aber dafür gelang ihm sonst Spektakuläres.

Freising – Auf den Freisinger Domberg geht es entweder zu Fuß zwei Minuten steil bergauf – oder man schwebt mit der just am Freitag eröffneten neuen „Bergbahn“ komfortabel und barrierefrei in die bayerische Geschichte. Denn mit wenigen Schritten ist von der „Bergstation“ das Diözesanmuseum erreicht. Der Domberg ist eine Dauerbaustelle, doch das ebenfalls renovierte Museum ist schon lange eröffnet. Dort kann ab Dienstag Bayern im tiefsten, aber nicht finstersten, Mittelalter besichtigt werden. Eine neue Landesausstellung führt 1300 Jahre zurück – als das heutige Bayern von Urwäldern, übrigens Laubbäumen, nicht Fichtengehölzen, fast verschlungen war, und wenige Menschen (wie viele, ist unbekannt) das Land mühsam besiedelten. In jener Zeit, achtes Jahrhundert, wäre das Siedlungsgebiet bajuwarischen Ursprungs beinahe zu einem Königreich erhoben worden. Wahrscheinlich, so genau ist es (wie so vieles aus jener Zeit) nicht bekannt.

Die Sachsen wurden blutig christianisiert

Richard Loibl, der das Haus der bayerischen Geschichte leitet, macht aus der Not eine Tugend: Es gebe ja nur wenige Quellen, sagt Loibl, der im imposanten strahlend weißen Lichthof des Diözesanmuseums in das Thema einführt, aber das lasse halt „Freiraum für Hypothesen“. Die leitende Theorie der Ausstellung ist jedenfalls, dass Tassilo III., der damalige Herzog (regierte 748 bis 788, Tod nach 794), kein Wittelsbacher, sondern Agilolfinger, damals „um ein Haar Bayerns erster König“ geworden wäre, wie Loibl sagt. Diese Ehre gebührt bekanntlich nun König Max I. – fast 1100 Jahre später! Leider war zu Tassilos Zeit jemand dagegen: der Karolinger Karl, „dem ich den Beinamen der Große verweigere, weil er so ein Schlächter war“, wie Loibl sagt. Die Sachsen wurden von ihm damals blutig christianisiert.

Nur ein Beispiel. Loibl klingt fast empört – Geschichte kann Leidenschaft sein, auch wenn sie 1300 Jahre zurückliegt. Tassilo musste sich angesichts einer erdrückenden militärischen Übermacht der Karolinger unterwerfen. Eine Schlacht gab es nicht, aber beim Prozess von Ingelheim am Rhein 788 wurde Tassilo wegen „harisliz“, Heeresflucht, angeklagt, abgesetzt und zur Klosterhaft verurteilt. Viel mehr weiß man nicht, schon von den Söhnen sind nur mehr Namen bekannt, das Geschlecht verschwand, der Sieger Karl schrieb die Geschichte zu seinen Gunsten um. Karl den Großen kennt heute jeder, Tassilo eher wenige.

Bei der Landesausstellung geht es also um so etwas wie die späte Rehabilitation eines bayerischen Fast-Königs und, wenn man mal das große Ganze nimmt, um die Erzählung von der ewigen Unterdrückung des bayerischen Volkes durch fremde Herrscher und den steten Kampf um Eigenständigkeit. Da kann man – und das ist ja so beabsichtigt – flugs den Bogen bis zur Gegenwart spannen. Aber natürlich wird in der Ausstellung, durchaus kurzweilig und für strenge Wissenschaftler gelegentlich vielleicht eine Spur zu unernst, mittelalterliche Geschichte erzählt.

Zur Begrüßung wartet die Statue einer weiteren Zentralfigur aus jener Zeit: Korbinian, Freisings erster Bischof, thront, aus Sandstein gehauen, auf einem Sockel. Korbinian und Tassilo, das gehört zusammen, denn in der Zeit des Herzogs erlebt auch die katholische Kirche in Bayern, das damals ungefähr von Regensburg bis hinter Salzburg reichte, eine erste Blütezeit. Missionare brachten die Bevölkerung auf den (aus Sicht der Kirche) rechten Weg. Korbinian gründete 724 das Freisinger Bistum. Die Legende erzählt, dass sein Pferd auf der Wallfahrt nach Rom von einem Bären getötet wurde – Korbinian zähmte den Bären und lud ihm sein Gepäck auf. Der Bär ist heute im Freisinger Wappen, hilft ja nix. Also griff das Museum die These auf – und holte als Aha-Erlebnis den ausgestopften Bären Bruno, erschossen 2006, vom Museum Mensch und Natur als Leihgabe nach Freising.

Nun ja. Wenn man sich an Bruno sattgesehen hat, ist hoffentlich noch Zeit genug für die vielen Kleinode, die in der Ausstellung auch zu sehen sind. Zum Beispiel eine winzige Goldmünze aus jener Zeit, die bei Aschheim als Grabbeigabe im Mund (!) eines Buben gefunden wurde. „Handelt es sich hier um die Bezahlung für den Fährmann ins Totenreich?“, spekuliert der Ausstellungstext. Wie gesagt: Die Quellen sind spärlich, das lässt Raum für eigene Überlegungen. Eine hübsche Idee der Ausstellungsmacher, die übrigens die Ausstellungstexte barrierefrei auch in leichter Sprache ausgeführt haben, ist die Verwendung von Asam-Fresken. Cosmas Damian Asam schmückte 1724 zum 1000-jährigen Bestehen des Bistums die Domkirche mit Wandgemälden aus.

Hexe wird mit Peitsche gezüchtigt

Sie erzählen aus dem Leben Korbinians – in einer Szene wird auch eine vermeintliche „Hexe“ mit einer Peitsche gezüchtigt, was ja auch viel aussagt über die katholische Kirche der damaligen Zeit. Hier hätte etwas mehr Interpretation der Ausstellung gut getan. Ein Höhepunkt wartet einige Räume weiter: Loibl führt zu einer am vergangenen Dienstag noch leeren Vitrine. Hier soll er rein, panzerglasgesichert und (hoffentlich) einbruchsresistent: der Tassilo-Liutpirc-Kelch, benannt nach dem Stifter und seiner Frau. Das vergoldete, mit Ornamenten reich verzierte Stück, Fassungsvermögen 1,6 Liter, ist irgendwann in den letzten Tagen in Polizeibegleitung und unter größten Sicherheitsvorkehrungen vom Kloster Kremsmünster in Oberösterreich nach Freising gekommen.

Der Kelch („Weltkunstwerk“), der leider nur sechs Wochen zu sehen sein wird, ist zugleich ein Hauptargument der Ausstellungsmacher für ihre Königstheorie. Wer in der Lage war, so etwas zu stiften, wer eine solche eigene Symbolsprache und eigenständige Kunst hervorbrachte, der hatte das Zeug zum König, sagt Loibl. Es ist die hier bemerkbare2, italienisch geprägte „eigene Hof- und Schatzkunst“, die die These stützt und der der Kunsthistoriker Egon Wanners mit einem Beitrag im reich bebilderten Ausstellungskatalog (Pustet Verlag, 24 Euro) nachspürt.

Es gibt freilich auch Argumente, die These vom Beinahe-Königreich nicht zu weit zu treiben. Eine Krone für Tassilo zum Beispiel ist nicht erhalten. Sie war aber zur damaligen Zeit womöglich noch nicht Bestandteil königgleicher Insignien. Oder aber, sagt Loibl und lächelt verschmitzt, sie ist vielleicht verloren gegangen.

Die Ausstellung

„Tassilo, Korbinian und der Bär. Bayern im frühen Mittelalter“, 7. Mai bis 3. November, täglich 9 bis 18 Uhr, Erwachsene 12 Euro

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