Unternehmen gegen rechts: Welche Konzerne besonders klare Kante zeigen
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Unternehmen gegen rechts: Welche Konzerne besonders engagiert sind

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Eine Kundgebung in München am Donnerstag gegen die sich häufende Gewalt und Angriffe auf Politiker.
Eine Kundgebung in München am Donnerstag gegen die sich häufende Gewalt und Angriffe auf Politiker. © IMAGO/Wolfgang Maria Weber

Immer mehr große Unternehmen positionieren sich vor der Europawahl öffentlich gegen die AfD. Die Deutsche Bahn erhält dafür einen Preis – wegen ihres frühen Engagements.

Frankfurt – Der Rechtsextremismus stellt eine Bedrohung für die deutsche Wirtschaft und den Wohlstand in Deutschland dar. So sehen es zahlreiche Unternehmen und engagieren sich mit entsprechenden Kampagnen öffentlich.

Doch welche Firmen ergreifen am deutlichsten das Wort und waren schon frühzeitig engagiert? Das hat die Unternehmensberatung Unicepta untersucht, die auf Medienbeobachtung spezialisiert ist. Das Ergebnis soll in dieser Woche bekannt gegeben werden und liegt der Frankfurter Rundschau bereits vor. Es lautet: Die Deutsche Bahn hat die höchste Punktzahl erreicht, gefolgt von Volkswagen, Evonik, Deutscher Bank und dem Schraubenhersteller Würth.

Unternehmen gegen AfD und Rechtsextremismus: Deutsche Bahn erhält „Thought Leadership Award“

Die Deutsche Bahn erhält daher den „Thought Leadership Award“, den Unicepta zum neunten Mal vergibt – in diesem Jahr für klare Stellungnahmen gegen Rechtsextremismus. Überreicht wird die Trophäe am Donnerstag (16. Mai) in Hannover.

Besonders originell hatte die Deutsche Bahn ihren Aufruf zu einer Demonstration gegen Rechtsextremismus umgesetzt. „Heute müssen alle stehen“, hieß es in einem Posting in DB-Design. „Liebe Fahrgäste“, schrieb das Unternehmen, „normalerweise versuchen wir, es euch so bequem wie möglich zu machen. Aber heute müssen wir mal unbequem sein, denn heute geht es um unsere Demokratie“. Es sei der Zeitpunkt gekommen, „an dem wir alle gemeinsam für Toleranz aufstehen müssen“.

Deutsche Bahn stellt sich besonders früh und deutlich gegen die AfD

Es war keineswegs die einzige Aktion der Bahn, die Aufsehen erregte. Bereits Anfang Oktober 2023 hatte die Social-Media-Abteilung des Transportunternehmens umgehend auf ein Posting der AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch reagiert. Die hatte sich über das Regenbogen-Symbol an einem ICE aufgeregt und geklagt: „Die Bahn kann wirklich nur noch Woke“. Die Bahn antwortete pfiffig – sie montierte das Von-Storch-Foto in das Bild einer Wüste hinein und schrieb dazu: „Wir freuen uns, dass Sie Ihr Ziel trotzdem erreicht haben. Die Rückfahrt fällt leider aus.“

Unicepta wertete besonders hoch, dass sich die Bahn bereits im Juni und damit früher als viele andere Unternehmen deutlich gegen Rechtsextremismus positioniert habe. Außerdem habe es die zweitgrößte Reichweite aller Firmen bei diesem Thema erreicht – übertroffen nur von Volkswagen.

Dem Autohersteller wurde zugutegehalten, dass mit VW-Chef Oliver Blume, der auch an der Spitze von Porsche steht, der prominenteste Vertreter des Unternehmens bei einer Demonstration gegen Rechtsextremismus im Februar in Wolfsburg auftrat. „Der Volkswagen-Konzern und die Porsche AG sind sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und stehen für den demokratischen Zusammenhalt“, sagte Blume seinerzeit. Die Unternehmen wollten klar Position beziehen: „für Vielfalt, Demokratie und eine weltoffene Haltung“.

VW: „Die Ziele der AfD stehen unseren Werten und Kerninteressen fundamental entgegen“

Insbesondere das Bekanntwerden von Vertreibungsplänen, die von Neonazis mit AfD-Leuten und CDU-Mitgliedern in einem Potsdamer Hotel besprochen wurden, hatten zu Beginn des Jahres eine breite Protestwelle ausgelöst, an der sich auch Firmen beteiligten. Unternehmen wie die Deutsche Bahn oder VW hatten sich aber bereits zuvor positioniert. So antwortete Volkswagen etwa auf eine Umfrage des Magazins „Capital“ im November: „Die Ziele der AfD stehen unseren Werten und Kerninteressen fundamental entgegen: Forderung nach Austritt aus der EU, Leugnen des Klimawandels oder das Instrumentalisieren ökonomischer Sorgen für den Widerstand gegen Transformation.“

Eine klare Haltung über einen längeren Zeitraum fand Unicepta auch bei dem Chemie-Unternehmen Evonik – insbesondere weil Konzernchef Christian Kullmann sich gegen „braunen Mob“ aussprach und feststellte: „Wer AfD wählt, gefährdet Jobs“. Schon im Juni 2023 hatte Kullmann öffentlich festgestellt, er betrachte das Umfragehoch der AfD als eine „sehr konkrete Bedrohung“ der liberalen und toleranten Demokratie in der Bundesrepublik.

Der Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing nutzte Formate wie das Weltwirtschaftsforum in Davos, um die klare Haltung des Finanzhauses gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus zu formulieren. Insbesondere habe er diese Themen mit der Frage der wirtschaftlichen Stärke verbunden – etwa indem er sich für die Zuwanderung von Fachkräften und gegen wirtschaftliche Abschottung gewandt habe, urteilte Unicepta.

Reinhold Würth, dem 88-jährigen Seniorchef des gleichnamigen Schraubenherstellers, reichte ein einziger Rundbrief an seine Beschäftigten, um eine enorme Medienresonanz zu erzielen. Darin riet Würth den Angestellten im März davon ab, die AfD zu wählen. „Bloß wegen ein bisschen Spaß an der Freude Rabatz zu machen und aus Unmut über die Ampelregierung die AfD zu wählen, ist einfach zu wenig“, hieß es in dem Schreiben. Die AfD strebe eine „Demokratur oder gar eine Diktatur“ an, befürchtet Würth. Das fiel aus dem Rahmen, weil sich Würth sonst mit politischen Stellungnahmen zurückhält.

Auswertung zeigt: 69 große Unternehmen positionieren sich deutlich gegen Rechtsextremismus

Die siegreichen Firmen sind aber keineswegs die einzigen. „Bei der Datensuche stießen die Recherchierenden unter den 250 Unternehmen auf 69, die sich deutlich gegen Rechtsextremismus positionierten. Davon kamen 19 in die engere Wahl, deren Äußerungen und Postings auch qualitativ untersucht wurden“, erklärte Wolf-Dieter Rühl, der „Head of Research“ bei Unicepta, im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau.

Die Aufzählung liest sich wie ein Who is who der deutschen Wirtschaft. Neben den fünf Spitzenreiterinnen zählten zu den engagierten Unternehmen: TUI, SAP, Edeka, Siemens, die Deutsche Telekom, Aldi, Rewe, Siemens Energy, Infineon, Mercedes-Benz, Daimler Truck, Bosch, die Sparkassen-Gruppe und Jenoptik.

Unternehmen bekennen vor der Europawahl sich zu Werten Vielfalt, Offenheit und Toleranz

Noch länger ist die Liste der Unternehmen, die in der vorigen Woche unter dem Motto „Wir stehen für Werte“ an die Öffentlichkeit trat. 30 große Firmen haben sich mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) für diese Initiative zusammengetan. „Neben den Vorteilen der europäischen Integration bekennt sich die Allianz insbesondere zu den Werten Vielfalt, Offenheit und Toleranz“, heißt es in ihrem Aufruf, der sich an die breite Öffentlichkeit, aber insbesondere an die 1,7 Millionen Beschäftigten in den beteiligten Firmen richtet.

Die Kampagne zielt auf die Europawahl am 9. Juni. Zwar wird nicht ausdrücklich von der Wahl der AfD abgeraten. Doch warnen die Unternehmenschefs gemeinsam mit den Gewerkschaften vor „Hass, Spaltung, Ausgrenzung und Rassismus“. Populismus und Extremismus gingen einher mit Abschottung und Ausgrenzung. „Studien belegen, dass dies zu einer geringeren Innovationskraft, weniger Wirtschaftsleistung und in der Folge auch zu weniger Wohlstand führt, besonders für die Schwächeren einer Gesellschaft.“

Der Aufruf soll der Beginn einer längeren Zusammenarbeit sein. „Die teilnehmenden Unternehmen erarbeiten gemeinsam Formate und Inhalte, tauschen sich und ihre Erfahrungen dabei aus und nutzen die Allianz als Plattform“, kündigen sie an.

Bahnchef Lutz: Antidemokratische und antieuropäische Bestrebungen dürften nicht hingenommen werden

Mehr als die Hälfte der Dax-Firmen stehen hinter dem Appell. Unterschrieben haben mit der Deutschen Bahn, der Deutschen Bank und VW auch drei der Unternehmen, die in der Unicepta-Auswertung vorne lagen. Bahnchef Richard Lutz betont, dass antidemokratische und antieuropäische Bestrebungen nicht hingenommen werden dürften. Die jüngsten Entwicklungen zeigten, dass sich Unternehmen wie der DB-Konzern „als Teil der Gesellschaft positionieren“ müssten. „Wir stehen für Toleranz und Demokratie, für Freiheit und Europa.“

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